Alle Artikel in: Tagebuch

Double Vision – wollene Mathematik

Meine Double-Vision-Decke! Endlich. Fertig! Vor zwei Jahren dachte ich noch: Das wird nix mehr, ich schmeiß den ganzen Klumpatsch weg. Aber… Es steckte so viel drin. Zeit, Geld, Lebensgeschichte. Zwei Frauen haben dran gestrickt, von denen eine nicht mehr lebt – meine Mutter. Mit ihr war ich in einem Darmstädter Vorort im hundert Jahre bestehenden Woll-Laden Bachmann, und ließ mich dort von der fast ebenso alten Besitzerin beraten. Gefühlte Stunden verbrachte ich dort mit der Auswahl der Farben (wie geduldig sie dort waren – und wie sich das gelohnt hat!). Die Idee dazu stammt von der Strickplattform ravelry. Fotos der bereits von anderen kühnen Nadelschwingerinnen fertig gestellten, Strickstück gewordenen Matheaufgabe waren faszinierend und verheißungsvoll. Matheaufgabe? Ja, denn: Trotzdem es zehn verschiedene Farben sind, die ich nach meiner Vorstellung zusammengestellt habe, wirkt das Ganze harmonisch. Das liegt daran, dass jede der Farben mit jeder kombiniert wird. Oder wie die Designer Pat Ashforth und Steve Plummer es formulieren: „The systematic arrangement of colors means that any combination will look good, in any order, because it will always …

Schlüssel zum Meer

Erster Tag: Bitte nicht einsteigen. Dafür To-Go-Scham im Capuccino Aber ich hatte Erdungsbesteck. Und Worte. Sichtlinks auf Wänden und Leibern: Wir schämen uns für alle, die gegen uns… Eat. Drink. Game. Repeat. Austernfischer, Austernfischer, Schaf! klappklappklapp Schaf – Stelze, Bach – Stelze. Hüpf! Stelze, fang! Staks und Kieks, durchs Gras und hoch und weg Im Weidenvorhang hängen sie Hups und flitz und hastunichtgesehn, die Schwätzer, die Gutelaunequatscher, Mückenfänger, Grasmücken mit Käppchen und klappklappklapp Auftritt Amselmann. Ahhh, Flügel durchs Ameisenbad, uns im Bernsteinblick. War spät gestern: Zeltnachbarn B Sie mit Innensicht die die Bäume umtorkelnd. Er mit beiden Rädern zum Zelt. Langer Tag gestern? Frag ich morgens an der Spüle. Sie zum ersten Mal anredend. Oh ja. Beim Deichhochlaufen gestürzt und ein Veilchen eingefangen. Sie grinst halbseitig Nimmt die Sonnenbrille ab. Wow! Nicht nur ein Veilchen, ein echter Shiner, wie die Kanadier sagen. Könnte man sogar vom Mond aus sehen… Drauf haben sie das ein oder andere Duvel getrunken. Sie grinst. Dann packt, Sie fahren nach Haus. Übrig Nachbarpaar A. Was machen die nur den ganzen …

Drei Goldpins sollt ihr sein

Paar Tage nicht da. Briefkasten ist voll. Da – Paketzettel zwischen den Zeitungen. Von? Absendercheck und JAAA! Endlich! Endlich krieg ich mein Handy wieder. Komisches Gefühl nach vier Wochen ohne. Anfangs schrecklich, immer wollte ich mal eben was gucken, mal dies checken, mal jenes fotografieren. Mal ne Nachricht schreiben, mal… Oooommmmm. Einatmen, ausatmen – bffffff. Und die Leute so: Geben Sie mir Ihre Handynummer? oder, Hey, Ich hatte dir ne Nachricht geschickt. Und ich dann: Ja, aber ich bin nicht erreichbar bzw. Hm, kannst du mir das nochmal als Mail schreiben? Antwort: Hä?! bzw. Was?! Alles fing mit einem Blackout an. Okay, Handy ans Kabel gehängt. Aber. Stunden später sagte es immer noch nur „Rotes Licht“. Pats Tipp: Machma Kontakte sauber. Okay. Auf das Ding, Akku raus – und einen Fussel weggepustet. Wieder zu. Rotes Licht. Hm. Was war das denn für ein Fussel? Der lag tatsächlich noch auf meinem Schreibtisch. Bisschen Metall, zeigte die Lupe, golden. Akku wieder raus und dann hörte ich das Problem trapsen: Wie viele Kontakt-Pins sind denn normal? Drei. Waren …

Energie

Der schlaue Fuchs kauft Speiseöl, Raps oder Sonnenblume – egal, Hauptsache billig. Nur kein Diesel in den Tank. Wobei der Automobilclub ja abrät: Salatöl schädige den Motor. Pah! Der Schlaufuchs füllt seinen Wohnmobiltank und alle Kanister voll mit Speiseöl. Ältere Dieselmotoren sind unproblematisch, für neuere gibt’s Umrüstsätze, beim Finanzamt ein Formular – wo? Was? Pah! Der schlaue Fuchs muss jetzt nur noch schlauer sein als die anderen und Speiseölquellen finden. Supermärkte sind ausverkauft.   Seite an Seite, Blowing in the Wind, Joan Baez und Bob Dylan

Weiß wie Schnee, rot wie Blut

Es reißt Zerreißt mich was getan werden müsste? Könnte. Muss. Dieser San-Andreas-Graben der Gesellschaften, in den man schaut. Er will die ganze Ukraine. Himmel und Weizen. Aus Günther Grass’ Briefwechsel mit Kenzaburo Oe aus der FR, Mai 1995 (Stichwort 50 Jahre nach Kriegsende): „Sobald ich von meinem Briefpapier aufblicke, sehe ich vom Fenster aus, wie der Monat Mai alle ihm möglichen Nuancen in Grün ausspielt, als wollte er mich an einen Frühling erinnern, dessen Heiterkeit keine Niederlage, keinen Befreiungsschmerz, weder Flüchtlingselend noch Trümmerberge eintrüben könnten…“ „Nur wenige Wochen lang wirkte der Durchhalteappell, dann folgte den deutschen und japanischen Kriegsverbrechen ein amerikanisches: Zwei Atombomben fielen und veränderten die Welt. Seitdem ist unser Denken und Handeln nuklear verseucht. Seitdem ist die Menschheit fähig, sich selbst zu vernichten.“ Aus Oxana Matychuks Ukraine Tagebuch aus der SZ, 23.3.22 (Stichwort Kapitulation): “Ich würde lieber auch daran glauben wollen, dass ein Sich-Ergeben dem Grauen ein Ende setzen würde. Dieser Krieg reicht in Wirklichkeit nicht in die 1990er-Jahre, sondern ins Jahr 1654 und noch weiter zurück. Stellen sich diejenigen, die uns gut …