Monate: Juni 2012
Filets, Marterl, Zeitensprünge
Wie ist es eigentlich weitergegangen? „Time is a great teacher“, findet der schottische Künstler Andy Goldsworthy (gerade und zum ersten Mal in Deutschland zu sehen in den Opelvillen in Rüsselsheim) und er sagt noch was Schönes: „Wenn ich meine Arbeit beschreiben sollte, würde ich sagen… ich arbeite mit Zeit.“ Wir auch. Mit, gegen, durch? Die Zeit hatte mal ne wunderbare Serie, den Zeitsprung, im früheren Zeit-Magazin. Thema war genau dieses “Wie ist es weitergegangen?” 1993 war ein Zeitsprung von uns. Viele Fotos waren da noch schwarz-weiß. Noch. Damals hat Pat ein 10-Years-after Foto von einem Kreuz gemacht und der Zeit-Redakteur fand es faszinierend, dass hier eine Pendelbewegung sichtbar, und eine weitere, unsichtbare womöglich schon im Anschwung war: 1982 nämlich stand dieses Kreuz vor der Kulisse der Ölraffinerie Caltex nahe Flörsheim, und damit unmittelbarer Nähe eines heiß umworbenen Geländes, dem „Filetstück der hessischen Wirtschaft“. Der Vertrag mit der Ölraffinerie endete nämlich damals, die Böden wurden regeneriert und die Nähe zu A3 und Flughafen machte das Areal hochattraktiv. 1993 sah es dann so aus wie auf …
Zeichen an der Straße: Njet-Jets!
Schwupps und – passt! Das Ortsausgangsschild Egelsbach hat ein neues Hemd. Gut, da ist bisschen Luft – aber so ist das eben bei Flughäfen, klein oder groß – die wollen immer wachsen, da muss man in XXXL denken. Ich zupfe hier und da, steige von meiner Leiter und – wie im Cartoon: „Es guckt wieder kein Schwein.“ Präziser ausgedrückt: keiner reagiert. Radfahrer truppweise, Jogger mehr als Flugbewegungen – und alle schauen gezielt vorbei. Ins Leere. Vielleicht sind sie verblüfft. Gehen Strick-Aktivisten ja sonst eher bei Nacht und Nebel raus, um ihre Werke anzubringen, vermummt, mit Spitznamen, psst! Mädels lasstma, braucht’s gar nicht. Liegt vielleicht auch am Thema. Blümchen und Pilze verschrecken die Durchschnittspassanten wohl weniger als eine, wenn auch verspielte Ansage. Denn: natürlich weiß jeder hier, worauf das durchgestrichene Njet-Jets anspielt. Net-Jets ist das Unternehmen, dem 80 Prozent des größten Verkehrsflugplatzes seiner Kategorie gehören, und es steckt selbst wiederum in der Brieftasche des superreichen Amis Warren Buffet. „Sitzt es gerade?“ Endlich sagt mal einer was. „Sie sind bestimmt von der Presse?“ Gerade mal nicht. Gerade …
In Strömen: Lebensräume – Flugrouten
Freitag, 9:30 kühl aber sonnig „Hier riechts gar nicht nach Kirche“ – als wir Freitag die Bilder hängen, schnuppern die Ersten gleich rein. Tatsächlich, es riecht nach Druck, nach Farbe – aber – wie riecht Kirche? Die Sonne scheint, die Bilder hängen, die Knäuel für die Strickaktion liegen in Körben bereit und auch die gestrickten und gehäkelten Flugzeuge sind alle fertig, harren der Ausstellungseröffnung. Die wollenen Flieger werden symbolisch für die Flugbewegungen in der Region stehen und beim Strick-In einen ebenso symbolischen Deckel bekommen… So hatte ich’s mir vorgestellt: Wenn massenhaft aktionshungrige Menschen kommen, stricken wir erst den Deckel und dann der kleinen Kirche noch ein Lärmschutzband. Sonntag: 15 Uhr Dauerregen Aber – der Mensch denkt, die windige Windsbraut lenkt, und dann kam Sonntag. Kam alles anders. Es tritschelte, tratschte, schüttete, goss und floss. Sturzbäche waren die Gassen… Der Himmel hörte nicht auf, die Erde zu wässern. Ging auf alle über, aber nicht über uns allen auf. Jammern? Mitheulen? Die Versuchung war da, aber, wer erst mal nass ist, den kann wohl nichts …
Die K-Frage: Zeit für Fritz?
„Ideen sind das Geld von Morgen“ – lautet der Text eines Werbe- Plakats, der mich nicht mehr loslässt:. Die Schrift war eine Montage aus Geldscheinen. In seiner Plattheit ist es ja kaum zu überbieten, dabei ist es Werbung für den Art Directors Club. Eigentlich nicht der Rede wert, und doch. Es ist eine Weile her, da hing an fast der selben Stelle ein anderes Plakat im Zentrum ein aalglatter Jüngling, schick aufgetakelt, breites Grinsen – und die Aussage war etwa die: „Geschissen auf die Werte – eigentlich wollen wir doch alle nur eins: viel Geld verdienen (egal wie) und gut leben (egal auf wessen Kosten). Und weil die neueste Plakatierung diese platten Werbebotschaften perfekt abrundet, beschreibe ich es auch gleich noch: „Pommes im Ofen, Zeit für Fritz.“ Der Junge, für den Mama jetzt Zeit hat, (weil sie zum ersten Mal in ihrem Leben die Pommes nicht selbst gemacht hat?) sitzt etwas unentspannt auf dem Tisch vor ihr. Ätzend. Das Weltbild, das Erziehungsbild, die Wortwahl. Viele sagen ja, der Journalismus sei tot (gespart) – die Werbung …