Jahr: 2011

Zeichen und Engel im Wald

. Die Krippe! ein Wunder. Schon abgeschrieben, und doch jetzt und endlich! Ochs und Esel, Hirte und – Engel Der Engel mit gebenden Armen und kräftigem Buchenfederschwung nie sah ich einen schöneren – so ein Glück. . Wieder sicher. Tut das so gut, weil die Kippe jetzt ständig da ist? Nicht erst, seit die Erde den Atomatem anhielt, seit wir dies unsichtbare Mal auf unseren Stirnen tragen: Glück gehabt. wieder Mal. Ist es deshalb? Occupy your life macht es selbst richtig damit es Traumpfade gibt, im unwägsamen Gelände damit, wann immer die Kippe kommt, damit wir wählen können und sehen, damit niemand aufgibt, zu früh.

Wo bleibt das Bleiberecht?

  Lieber will ich all mein Silbergeräte verkaufen, als diesen armen Leuten die Aufnahme versagen. (auf einem Denkmal in Bad Homburg für Landgraf Friedrich II., der 1687 den wegen ihrer Religion aus Piemont und Frankreich vertriebenen Hugenotten Asyl gewährte.) Wump, Wump, wump. Töne wie Herzklopfen. In einem verdunkelten Saal sitzen 150 Leute, doch es kommt kein Mutterleibsgefühl auf. Wump, wump, wump – das Pochen ist Angst, ist aggressionsgeladen, ist Spannung. In der Mitte des mehrreihigen Stuhlkreises liegen vier Schauspieler auf Hände und Füße gestützt, jeder einen Ellbogen angewinkelt. Bei jedem Herzton stoßen sie sich vom Fußboden ab und mit rufen kurze, atemlose Sätze: „Kommen sie?“ „Die Zähne fallen mir aus!“ „Ich kann nicht mehr!“ „Sei still!“ Es soll beklemmen, es beklemmt. Die meisten Zuschauer sind wie gebannt, weil ihnen die Leute vom Peripherietheater mit ihrem Stück „Die im Dunkeln“ direkt aus dem Herzen spielen. In einer anderen Szene heißt es: „Sie wollen mich zurückschicken – wohin denn? Ich bin überall Ausländer.“ In wieder einer anderen spielt Hatice Bayval beispielhaft das Schicksal einer jungen Asylbewerberin, die …

Klaus-Peter Klingelschmidt fehlt

Grade stelle ich unseren neuen Artikel online, der damit beginnt und endet, dass jemand fehlt – als mich der taz-online-Ticker streift: Klaus-Peter Klingelschmitt ist tot. Pat hat viele Frankfurt-Termine und -Themen für die taz mit ihm gemeinsam gehabt. Wir sind erschüttert und sehr gerührt von diesem zärtlichen Nachruf der taz-Kolleg_innen: Mit der „taz“ in der Hand

Kein Zeichen: kein Advent, weil Einer fehlt

Nichts. Der Blick in die Hütte zeigt auch heute morgen keine Veränderung. Nur das Stück entrindeter Baumstamm, das da schon lange rumliegt und auf dem man zur Not sitzen kann. Wo bleibst du? Mann! Wenn du nicht doch noch kommst, fällt Waldadvent aus. Ausgerechnet. Gerade dieses Jahr, wo wir beschlossen haben: jetzt wird’s fotodokumentiert, von Anfang an, bis endlich Blogweihnachten ist. Was das heißen soll? Okay, kleiner Zeitschritt zurück. Für alle, die den Adventszauber des Frankfurter Stadtwalds nicht kennen – hier die Geschichte: Schon vor dem ersten Advent (keine Ahnung seit wann genau) bewegen sich rund um den kleinen Unterstand am Kesselbruchweiher die zersägten Stammstücke umgestürzter Bäume. Rücken irgendwie zusammen. Wie beim Kinderspiel „Ochs am Berg“, oder wie ein ausgeschüttetes Puzzle, bei dem jemand die Teile durchwühlt und schon mal paar Stücke rauslegt. Am ersten Advent dann die Hirten. Stammholz als Körper, kleinere Holzstücke als Köpfe draufgepackt und den (Hirten-)Stock drangelehnt. Bis zum vierten Advent bevölkert sich die Hütte weiter mit Hirten und Tieren, Josef und Maria, und mit Heiligen. Alles liebevoll aus Holzfunden, Farnwedeln …

Strickrausch bei Occupy: “Get up stand up!…”

20.11.2011 Tadaa! Strickrausch ist da! Sechs Frauen an der Nadel. Handwerkerinnen, die multiple Verstrickungen, hintersinnige Parolen und Tags in der Mainstadt lieben ohne sich vor Fallstricken zu fürchten. Zwei links, zwei über, zwei zusammen und uffgestrickt! Strickgraffiti-Ideen im Sixpack. Kurz, Strickrausch. Strick-Einsatz 1: Stein-Kissenbezüge als Soli-Aktion für Occupy Frankfurt. Strick-Location: Mäuerchen mit Sofakissensteinen, das die EZB-Camp-Anlage mit Blick aufs Schauspiel begrenzt. Lieblingsplatz von Skatern, Bike-Hockeyspielern und Occupybesuchern. Strick-Tribute: an unsere Geburtshelfer aus München, Kommando Agnes Richter, Klaus Dietl und Steffi Müller Strick-Parole: „Get up stand up!“ Aufsteh’n also für Gerechtigkeit. Heißt für uns erst mal: Hinsetzen und Sticheln für’n Hingucker und dann: Rausgehen. Einmischen, Zeichen setzen fürs bunte Leben in dieser Stadt. Gerüscht, gerafft? Getaggt. „Wollte immer schon mal wissen, wer so was macht“, haut uns einer von Occupy an. Einer von den eher alten Wilden. Findet uns super (Danke) und klärt auf, dass wir gerade Verbotenes tun. Verschandelung durch Graffiti-Tags? Nö, Nichtachtung des Totensonntags. Totensonntag nämlich heißt: Versammlungsrecht nur auf dem Friedhof. Überall woanders sind Ansammlungen von mehr als drei Leuten verboten. So was …

Buchkritik: Gefühle machen Geschichte

Wie kollektiver Hass wächst Mit Gefühlen den Nationalsozialismus oder den Israel-Palästina-Konflikt erklären? Der Ansatz von Luc Ciompi und Elke Endert, geschichtliche Ereignisse mit kollektiven Stimmungen zu verknüpfen ist ungewöhnlich und der im Titel angekündigte Brückenschlag „von Hitler bis Obama“ mutet fast wie ein populistischer Verkaufstrick an – doch die Autoren untermauern diesen Bogen ohne jede Effekthascherei. Im Gegenteil. Selten wurde Hitlers Erfolg bei den Deutschen, der tragische Israel-Palästina-Konflikt oder die Kulturkluft zwischen Islam und dem Westen so nachvollziehbar erklärt. Basis des Buchs ist die „Affektlogik“, die Luc Ciompi 1982 begründete und kurz gefasst besagt, dass kein Denken ohne Einfluss von Gefühlen stattfindet, kein Fühlen wiederum ohne theoretischen Hintergrund. Neu daran ist der kollektive Aspekt. Ungewohnt ist die Gefühlsperspektive in diesem Zusammenhang vor allem deshalb, weil Historiker, Politikwissenschaftler, Soziologen und Psychologen selten zusammenarbeiten. Ciompi und Enderts Ziel ist es, Erkenntnisse aus diesen Disziplinen zu verknüpfen. Grundthese: Emotionen sind verkannte Energiepotenziale und treiben als mehr oder weniger bewusste Motoren alle psychosozialen Ereignisse an. Die Kurzformel: Sympathie vermag das kollektive Denken zu beflügeln, Hass schaltet es aus. Der …

Symbole des Neoliberalismus: Bourdieus „Gegenfeuer 2“

Hier mal ein bisschen Background zu unserer Serie “Symbole des Neoliberalismus”. Im Grunde eine Fotorezension von Pierre Bourdieus „Gegenfeuer 2. Für eine europäische soziale Bewegung“. Mit dieser Streitschrift mischte sich der französische Philosoph, Soziologe und Ethnologe in den damaligen Neoliberalismus-Diskurs. Es ging ihm darum, Risiken und Potenziale der neuen Weltwirtschaftsordnung aufzuzeigen, aber auch darum, die wichtigen Errungenschaften der sozialen Marktwirtschaft bewahren. Die Texte sind sperrig, politisch, leidenschaftlich – der einundsiebzigjährige Autor hat damals auf eine neue politische Bewegung gehofft, gewartet… Er starb 2002. Versteckte, unsoziale Mechanismen des Neoliberalismus und: wie deren Auswirkungen aus einer Gesellschaft ein seelenloses Profitcenter machen könnten – darum gings, superknapp gesagt. Und wie viele Texte, die schon etwas abgehangen sind (schon zehn Jahre her, verdammt!), staunt man, wie aktuell sie sein können… Seine Thesen veranschaulichte Bourdieu mit Beispielen aus dem Alltag: unsoziale Arbeitsverträge, Fast-Food-Kultur, Shareholder-Value-Verhalten am Beispiel von Banken- und Geldwertpolitik. Pats Inspiration/Herausforderung war es, Symbole zu finden, die diese Thesen veranschaulichen. Die Umsetzung der Fotografien in „Lith-Technik“ sollte Bildaussage noch mal durch eine antik-konservativ anmutende Patina überzeichnen, ergänzt von Zitaten …

Occupy drei: Hallo Frankfurt!

Samstag, 29.10., 13 Uhr „Jetzt geraten sie unter Druck“, meint eine Journalistin im Camp. Viele warten jetzt auf Konkretes, Forderungen, etwas, das man kommentieren, worauf man reagieren, das man Experten vorlegen kann. „Sie müssten jetzt mal was fordern“, findet ein älterer Mann. In den Flyern stehe nichts. „Die Kritik der Programmlosigkeit kommt oft von Altlinken, die in den letzten 30 Jahren nichts bedeutendes mehr auf die Beine gestellt haben“, kontert in der heutigen Frankfurter Rundschau Kalle Lasn. Der kanadische Filmemacher gilt als Mitinitiator von occupy wallstreet und wird zum aktuellen Stand interviewt. Im Camp ist es ruhig. eine Bühne wird aufgebaut für den Kulturteil nach der Demo, die gerade durch die Stadt zieht. Leute kommen vorbei, schauen sich die Wand mit den Aushängen an, die Feuertonne, die Küche. Strickgraffiti auf den Bänken: „Bildung statt Banken“ ist auf die eine gestickt, „Resistance is fertile“ auf die andere. Sie müssen jetzt was fordern“, insistiert der Endsechziger und pocht auf die Papierschachtel, unter seinem Arm. Der Beginn einer langen, langwierigen Rede. Ob ich seine These abenteuerlich fände, occupy …

Nach dem Flughafenausbau: Anfluch von Denkfaulheit

Jetzt wachen sie auf. Viertel vor sechs, wenn der Flieger mitten durchs Schlafzimmer fliegt. Jetzt, wo der Wald abgeholzt, die Nordwest-Landebahn Rhein-Main gebaut ist, treffen sie sich zur Menschenkette in Offenbach mit viertausend Leuten (fünf Wochen vor der Eröffnung), gehen sie in Mainz zu zehntausend auf die Straße (zwei Tage nach der Eröffnung) und sind empört. Verdammt spät. Wo waren diese ganzen Empörten, als die Bürgerinitiativen mit drei bis vierhundert, wenn’s hoch kam 1500 Leuten vorm Flughafen Rabatz machten, im Wald demonstrierten und in Wiesbaden ihr Recht auf Lebensqualität einforderten. Wo? Während sich die Befürworter der Lebensqualität einer Region abgearbeitet haben, und die hessische Wirtschaft und Politik vorsichtig um die Ecke lunste, ob da auch wirklich nicht mehr passiert. Während die Mediation von Anfang an nur das eine Ziel hatte: dafür zu sorgen, dass die Landebahn ohne viel Bürgerkrach gebaut werden kann. Während Exministerpräsident Koch mit dem Nachtflugverbot lockte, das für die Lufthansa von Anfang an indiskutabel war. Vorausschauend Denken und sich für alles interessieren sollen Kinder und Jugendliche immer. Und die Erwachsenen? Beispiel Offenbach. …

Gedicht der Woche: unplugged

unplugged stäubts unter stellwänden geschredderten glücks brockts bunt, flockt, hartzt zu die ausgekommenen, ausgesiebten leeren blicks die dahocken, farblos gezaust, aschpink und plastik süchtig nach billigglimmer, overdrive gierend ohne grund immer nur: mehr,mehr dabei fehlt’s passwort mehr gibt’s nur für die drin geherzt vom druck: come on the pressure line nicht auffallen, auffragen nur einkommen zeitlos verbraust, züchtig bis ins workout und zikadesk: mehr,mehr und? schreischauwem gekappt alles bilder, süchte, blüten colours run dry die zukunft ein reisbrei politisch korrekt passwort? 1,2,3 und ab: schreischau selbst