Natur und Umwelt
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Zeichen an der Straße: Njet-Jets!


Schwupps und – passt! Das Ortsausgangsschild Egelsbach hat ein neues Hemd. Gut, da ist bisschen Luft – aber so ist das eben bei Flughäfen, klein oder groß – die wollen immer wachsen, da muss man in XXXL denken. Ich zupfe hier und da, steige von meiner Leiter und – wie im Cartoon: „Es guckt wieder kein Schwein.“ Präziser ausgedrückt: keiner reagiert. Radfahrer truppweise, Jogger mehr als Flugbewegungen – und alle schauen gezielt vorbei. Ins Leere. Vielleicht sind sie verblüfft. Gehen Strick-Aktivisten ja sonst eher bei Nacht und Nebel raus, um ihre Werke anzubringen, vermummt, mit Spitznamen, psst! Mädels lasstma, braucht’s gar nicht. Liegt vielleicht auch am Thema. Blümchen und Pilze verschrecken die Durchschnittspassanten wohl weniger als eine, wenn auch verspielte Ansage. Denn: natürlich weiß jeder hier, worauf das durchgestrichene Njet-Jets anspielt. Net-Jets ist das Unternehmen, dem 80 Prozent des größten Verkehrsflugplatzes seiner Kategorie gehören, und es steckt selbst wiederum in der Brieftasche des superreichen Amis Warren Buffet.

„Sitzt es gerade?“ Endlich sagt mal einer was. „Sie sind bestimmt von der Presse?“ Gerade mal nicht. Gerade sind wir als Foto-Strick-Graffiti-Aktivisten da und ich bedauere zutiefst, dass nicht wenigstens eine Craftista vorbei kommt, mir auf die Schulter klopft und sagt WOW. Tolle Arbeit. Immerhin wollen die netten hessischen Quadratschädel mit ihren Walking-Stöcken ihren Senf beitragen: Der Flughafen soll ausgebaut werden, da sind die sich sicher

 

Einer weist mit dem Stock in die Landschaft: „Dahinten. Sehen Sie, da wo’s aus den Bäumen blitzt, geh’n wir immer lang. Da guckt man direkt auf die Startbahn West. Jetzt sind da noch Strommasten, aber die kann man ja unter der Erde verlegen.“

 

Njet-Jets soll das Nachdenken übers Ortschild hinaus blähen. Erinnern, dass anderswo Dinge ähnlich gestrickt sind, dass es ökonomische Vernetzungen der Airlines, der Klein- und Großflughäfen überall da gibt, wo investiert wird. Lufthansa etwa ist an Net-Jets beteiligt. Der Privatflugsektor scheint lukrativ. Und der große Bruder Rhein-Main ist schon lange dafür, dass die kleineren Flieger in Egelsbach landen, damit die größeren ihre Bahnen frei haben.

 

Acht Jets täglich will einer der Rentner hören. Das allerdings muss „stille Post“ oder Angeberei sein, denn tatsächlich sind es pro Tag höchstens zwei. Gerade startet einer, es zischt und kreischt ziemlich laut, aber wir stehen ja auch direkt am Rollfeld. Es ist der erste, den ich, der zweite, den Pat hört – und wir waren schon oft hier. Es ist ein halbes Jahr her, dass wir die Idee für dieses Graffiti hatten – und ich die Stricksschrift entwarf. Und als wir das erste Egelsbacher Foto-Strick-Graffiti „Jet-To-Go“ (derzeit in der Ausstellung bei Susanne Born) aufhängten, startete trotz ewiger (und saukalter) Warterei kein Jet, der wirkungsvoll den Hintergrund beleuchtet hätte. Was machen die hier eigentlich?

„Protestieren Sie gegen Net-Jets?“ Der dritte, der sich mit dem Strick-Graffiti auseinandersetzt. Er fotografiert es von hinten per Handy aus dem Auto – unauffällig wie Polizei bei einer Demo – stellt dann schwungvoll seine Kiste mitten auf der Kreuzung der Rad- und Joggerwege ab, fotografiert weiter und versendet das Bild. Ein Autoaufkleber weist ihn als Cessna-Liebhaber aus. Mit Mal guckt er mich plötzlich doch an, und es bricht aus ihm heraus: „Wollen Sie den Flugplatz platt machen?“ Er hasst Leute, die bei jedem Pups beim Bürgermeister anrufen – „da war schon wieder einer laut“ meckern und verlangen, der Flugplatz solle geschlossen werden. Nein, ich habe nichts gegen Flugplätze im Allgemeinen, diesen hier im Besonderen, wir wollen zum Nachdenken anregen: muss es immer mehr, immer größer sein? Einfach weniger fliegen.

 

Verblüffend schnell reden wir miteinander, obwohl wir in kaum einen Punkt einer Meinung sind. Er findet, es sei in Ordnung, wenn der Besitzer Geld verdienen will, investiere er doch in den Platz, und gibt sich als Hobbyflieger sowie Fluglehrer in Gießen aus. Dann braucht er die Erweiterung dieses Flughafens aber nicht oder? Das gibt er zu. Wohin fliegen denn die Jets, will ich wissen – „Nach Mallorca zum Beispiel.“ Bitte? – „Na, wenn er das Geld hat…“

Und ewig lockt das Schöne und Reiche. Der Lebensstil ohne die Mühen der Ebene. Sein Blick verklärt sich und driftet ab. Ich sehe Elitetypen, die Jet-Sharing angesagter finden, als Bahnfahren, die lederbestuhlten Flieger als exklusive, störungsfreie Büros nutzen, und gediegene Geschäftsabschlüsse einfahren, während sie im Restaurant von Flughafenausbaubefürworter Schuhbeck „Essenz von der Strauchtomate mit Pfifferlingsnocken“ schlürfen und danach „Roulade von der Taubenbrust gefüllt mit Gänsestopfleber auf Trompetenpilzrisotto und Amarena-Kirschsauce“ verputzen.

Wenn es Zeit ist, die Menschenmassen zurück zu lassen, ist NetJets Ihr Ticket für entspannte Flüge in den Sommer. Mit 130 Jets allein in Europa garantieren wir Ihnen selbst an Hauptreisetagen jederzeit die Verfügbarkeit eines Flugzeugs. Und mit den meisten Start- und Landegenehmigungen ermöglichen wir Ihnen zudem einen konkurrenzlosen Zugang zu den beliebtesten Flughäfen in Europa. Es ist Ihr Sommer – genießen Sie ihn. (netjetseurope.com)

„Aber wer will entscheiden? Dann können Sie ja alles verbieten – Motorräder im Taunus, Motorboote auf dem Main…“ Hm. Ich beharre, dass es nicht nur nach Geldbeutel gehen darf, wer bestimmt, was verträglich ist. Es kommen die üblichen Geplänkel – na wer beschwert sich denn? Sollen sie doch sonstwohin ziehen… Dann sammelt er sich und rammt das nächste Argument vor mir in den Grünstreifen: „Das Nachtflugverbot“, kaut er, „das ist ein Brett!“ Piloten haben ihm erzählt, „dass sie nicht mehr starten durften, weil sie Verspätung hatten! Und die Lufthansa musste 400 Leute im Hotel unterbringen. Wissen Sie, was das kostet?!“ Nach diesem Trommelwirbel das endgültige Untergangsszenario: „Das Nachtflugverbot wird die Cargo platt machen. Alle Piloten sagen das.“ – Zürich hat ein Nachtflugverbot seit 50 Jahren. Wir brauchen deutschlandweite, situations-, nicht profitorientierte Verkehrskonzepte!

Er schaut mich mitleidig an: „Dann enden wir wie Griechenland.“ Die beiden vorher hatten zu mir gesagt, „Was soll man machen? Gebaut wird sowieso, egal was der Bürger denkt.“ Merkel ahoi! So, genau so funktioniert Massenloyalität. Einschüchtern, Angst verbreiten, andere vorführen, dann muckt keiner mehr auf. Sollten die bayerischen Quadratschädel mit ihrem Entscheid gegen eine neue Startbahn uns da etwas voraus haben?


 

4 Kommentare

  1. Harald Kliczbor sagt

    auch wenns schon 3 Jahre zurück liegt: Kann mich dem Kommentar von Ulla Veith nur anschließen: Super, Weltklasse!!
    Liebe Grüße
    Harald

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