Alle Artikel in: Gesellschaft

Gelesen: Der Pilz am Ende der Welt

Wo anfangen? Am liebsten würde ich dieses äußerlich so schlicht wirkende Buch über diesem Bildschirm schütteln, auf dass all die Ideen, Erzählstränge und von der Autorin geteilten Lernmomente vor mir in einem rauschend bunten Wortschwarm auf und in den Text flögen. Ein mäandrisches Buch, das Licht in die Strukturen und unseligen Mechanismen des Kapitalismus zu werfen vermag. Ebenso wie in die so grundverschiedene Weise, mit der Menschen auf der ganzen Welt versuchen, ihr Leben zu meistern. Oder die Natur zu schützen, mit Ansätzen die oft so schmerzhaft kurzsichtig waren oder sind, dass sie sich in ihr Gegenteil verkehren. Roter Faden oder besser die Wegleuchte der Autorin ist der Matsutake-Pilz. Warenströme, Entfremdung á la Marx und Naturschutz anhand eines Pilzes auszuleuchten ist ungewöhnlich genug. Mehr noch überrascht mich, wie diese Wissenschaftlerin Wissen vermittelt: „Wenn ein Wirbel aufgewühlter Erzählungen am besten taugt, über kontaminierte Diversität zu erzählen, dann ist es an der Zeit, diesen Wirbel zu einem Teil unserer Wissenspraxis zu machen. Vielleicht müssen wir, die Überlebenden eines Krieges selbst so lange erzählen, bis alle unsere Geschichten …

Hey Insta, Offboooom!

  Sieben Jahre her, mein erstes Bild auf Insta: Schneckenbaby auf Finger. Mein Finger. Ohne Hash ohne Tag. Wusste ich noch nix von. Auch nicht, dass, wie oder warum man Follower sammelt. Irgendwann kapierte ich und klinkte mich ein: #25bluehours #streetphotography #ifyouleave #myfeatureshoot #rebelsnature #saveourplanet #takemagazine #lucecurated #makeseemag #minimal #streethoney #thisaintartschool #mindtheminimal #kinfolk #paperjournal #onbooooooom #visualsgang…. Alles, damit Bilder gesehen werden. Bewundert, geteilt, gefeatured und gelikt. Und so ne Taschengalerie hat schon Charme. Verführerischer Zeitvertreib das. Und so wird ein Geschäft draus. Nicht meins. Bin eher für l’art pur l’art. Echt cool aber, und das hat mich lange gehalten, war dieses Weltgefühl. Kommentare und Austausch mit Menschen aus Venezuela oder Kalifornien, Schottland, den Niederlanden – oder … Stadtallendorf. Brüder und Schwester-Ansichten einer visuellen Welt, ach wie schön (wär das). Letztlich gehört man ja nirgends dazu, es sei denn man kommuniziert vor allem mit der eigenen Peergroup. Also alles wie immer als Journalistin. Aber nochmal zurückgespult. Da war vor allem Neugier: Wie ticken die anderen? Was sehen sie, was heben sie heraus? Impliziert ja auch Nachdenken. …

Zelten für Bikepacker

  Zelten ist best. Eigentlich. Aber früher war da mehr Glanz. Seit die guten Plätze für Vintage-Zelter wie uns wegschmelzen wie arktisches Packeis, seit immer mehr Wohnmobile unterwegs sind, macht es immer weniger Spaß. Jaha, schon klar, nur immer schön ist Zelten nun auch nicht. Nass werden ist doof, Straßenlärm auch. Zecken oder Windstärke 8 müssen nicht sein… Aber, im Grunde alles erträglich und gehört dazu. Eins aber, und dieser Punkt wird immer krasser, verleidet uns das Zelten: Menschen mit Klatsche und Reisemobil. Aber, der Reihe nach. Für die schönsten Plätze muss man sich schönst ins Zeug legen. Die liegen nunmal ab vom Schuss, ist ja grad der Reiz. Beispiel Uig oder Bosta Beach auf der schottischen Insel Lewis: Bergauf-bergab-bergauf. Da ist es! Nein, noch ne Schleife und noch ne Kehre und – weiter treten, treten, treten. In vorüberziehenden Wohnmobilen konnten wir nichts als Weicheier in Dosen erkennen. Ja, sorry. Wenn man platt ist, mault man gern bisschen ab. Zum Glück sind die Camper-Spezies meist fein voneinander getrennt. Wohnmobile näher an den Sanitäranlagen und Radler- …

Plan C

  Lieber kein Treffen, sagt ein Freund ab, wegen Corona. Andere laden uns ein. Im Garten sitzen. Lachen, Trinken, in die Sterne schauen. Über Klopapier reden. 10 Euro das Paket. Einlagig wohlbemerkt. Nee, ne?! Doch! Der neu übernommene Supermarkt an der Ecke. Guter Geschäftsmann, ja? Arschloch. Den Laden werde ich nicht betreten ischwör. Und dann gibts ein Sprachstolperwitz, den, warum auch immer, nur die Frauen witzig finden. Zum Totlachen, Haha! Hach, tat dieser Abend gut. Irgendwo nördlich, paar 100 Kilometer entfernt, vielleicht zur selben Zeit, ging einer alten Frau die Lebenskraft aus. Was mache ich hier? Mag sie gefragt haben. Warum kommt niemand? Kein Funke am Tag, keiner in der Nacht. Sie aß nichts mehr, trank nicht. Corona-Infektion hatte sie keine. Aber sie starb daran. Kollateralschaden, wird man später sagen. Und lehren, wie man sich umarmen soll: Mit Maske, ohne uns in die Augen zu schauen, und kurz. Am besten die Luft anhalten dabei. Kleine Kinder dürfen uns die Füße küssen, größere werden von hinten umarmt und, wenn‘s denn sein muss, auf den Kopf geküsst. …

So blau

  Gesperrt, ausverkauft, abgesagt. Das Beste daran: Es ist still. Flugplan aus der Zeit, als ich Kind war und das Rauschen am Himmel beruhigend. Ich erinnere es als tiefes, fast angenehmes Sommerbrummen. Zuletzt gab es dieses Gefühl, als dieser unaussprechliche Isländer Asche spuckte. Wir lagen am Flussstrand – und sahen einen surrealen Film: keine Kondensstreifen am Himmel. Auch kein minütlich nervenzerrendes Dröhnen, zu dem sich das Brummen heute ausgewachsen hat. Nicht mal Schiffe und deren Bugwellen. Ungewohnte Abwesenheit gewohnten, menschlichen Lärms. Wie in meinem Kopf. Zwar gibt es natürlich das Nachrichtenrauschen: Infektions- und Todesraten statt Bundesligatabelle. Ausgangsbeschränkung, Grenzschließung, Besuchsverbot… Doch aus der Mitte dieses Tinnitus-Shitstorms starrt gespenstisches Nichts. Und zieht Bürgerrechte aus uns und Kraft. Ich muss trotzdem raus. Was mich sofort auf Corona-Modus dreht. Distanz halten – und wer einem auf die Pelle rückt, unerträglich finden. „Bitte halten Sie Abstand, mein Herr“, ermahnt einer der neu eingestellten Abstandshalter im Supermarkt. Danke. Das war gestern. Der erste Laden, in dem ich – ja – nach Klopapier suchte. Wir haben nämlich nicht den Keller voller Rollen. …

FFF—Futurize it!

  Ich will ficken, aber nicht die Umwelt Könnte, hätte, wollte… Quit! Quit playing Städte! Entsiegelt! Euch! Klima schützen, Kohle stoppen Nacht-flug-verbot!   Like the ocean we rise quit playing games Wake up Unterm Plastik liegt der Strand Könnte, hätte, wollte? Machen! Make Love, not CO2   Ask me, I’m a Scientist Lost in the Anthropocene Save The critical Sound of Science Our house is on fire Fahr Rad for Future Verkehrswende jetzt!   Frankfurt Sightseeing Du auch? Last Minute zusammen: Zahnarzt, Scientists, Oldies for Future! Future! Future!   Und zwei Tage später fliegen 2 Passagierflugzeuge leer von Bonn nach Berlin, um dort zwei deutsche CDU-Politikerinnen mit Entourage abzuholen, die nach der Verabschiedung des Klimapakets fast gleichzeitig Termine an der US-Ostküste wahrnehmen wollen, aber keine gemeinsame Reise gebacken kriegen. Wo bleibt der Shit-Storm? Mögen sie die von Quaschning (ask a scientist) geschätzen Kosten der verursachten Klimaschäden bitte aus eigener Tasche an die Fridays spenden.      

Sternfahrt zur IAA-Demo 2019

  Hibbel, hibbelig, hibbeliger – wir sind ne gute Stunde früher am Sammelpunkt für Neu-Isenburg – und nicht die einzigen, die schon warten. Noch nen Kaffee? Jep. Aber jetzt. Den Raben in meinem #Popupforest – unserem Beitrag zur Demo – nochmal umgesetzt und festgezurrt, dann auf zum Treffpunkt, und zusammen mit rund 60 Leuten auf den Zug aus Darmstadt warten. Polizeimotorräder kündigen sie an. Plötzlich brummt, leuchtet und flackert die Welt – sie kommen! Woohoo! Und wir steigen ein. So ist also Radeln im Pulk. Wie Tour de France für Anfänger. Sehr sehr cool – hatte ich mir schwieriger vorgestellt, doch alle halten immer irgendwie genug Abstand und auch wenn es mal eng wird ist doch immer noch Platz. Nur zwei Umfälle gesehn. Und zwar während wir standen. Uups? alles gut   Sternfahren. Flow! Und Stop and Go. Wir sind viele, also stehen wir auch im Stau – in Offenbach, vor der Autobahnauffahrt, aber nicht auf der Autobahn. Fahrradfarn auf der Autobahn (Yeah, Yeah, Yeah)! Ja, Fahrrad-Farn – der macht den ersten Fahrradausflug seines Lebens …

Hirn statt Kohle – Friday for Future

  “Power to the People” der Spruch hat nichts verloren an Strahlkraft.Fühlte sich nach Jugend an, nach früher und heute zugleich. Gut. Interessant, wie alle Berichterstattung – ungeachtet der Bilder, die eine andere Wirklichkeit zeigten, eine Jugenddemo inszenierte. Was ich sah, ging querbeet durch alle Altersgruppen. Was ich sah waren handbemalte Pappen (Yeah!). Babymamas, Pubipapas, Rentnerinnen, Schulkinder, Hunde, Fahrräder, Rucksäcke, Transparente und „Ordner*in“nen. Da wusste ich: Das hat eine Frau organisiert. 4500 Leute ohne Müllhinterlassenschaften. Power to Micaela!   Noch? Am besten wars für mich, auf heißen Asphalt liegend, direkt vor den Toren der EZB. Mitten auf der Straße. Die-in. Fast 4500 Als-ob-Tote, als Symbol für den Klima-Raubbau an der Welt – und den Lateralschäden, die daraus resultieren. Die Hitze im Rücken hat mein Trackerherz auch um die Tiere geheult. Paradoxerweise sehr entspannend. Demo-Yoga. First World halt. Und doch wurde der Menschen (und Tiere) gedacht, jenen die fern sind und für unseren „nachhaltigen“ Lebensstil“ krepieren. Dann auf einmal ein Radler, straight und mit Helm und ruft: “Ihr seid alle faule Säcke!” Kam aus der EZB …

Disco, Disco Partizani!

  Gestern vor der alten Oper: Frankfurter gegen Rechts und für Musik. Gerockt, zum Toben gebracht und laut gemacht von DJ Shantel und seinem Bucovina Club Orkestar: Disco, Disco Partizani! “Bella Ciao” wurde auch angespielt, mitgesummt – und Shantel (aus Sachsenhausen!) hat gleich erkannt: “Leude, so machen wir keine Revolution.” Recht hat er… Also, tobt, rockt, steht auf, haltet zusammen – und tanzt!