Ein letztes Aufbäumen, jetzt hängen sie am Boden. Kabel wie zertretne Schlangen ohne Saft: mein Computer ist tot. Finger tippen ins Leere, Facebook kennt mich nicht mehr. Die Nebenstelle meines Gehirns, Speicherort aller Pass- und Notizworte, abgeraucht.
Mit ihm ins ewige digitale Rauschen entschwand auch die Transcription-Software meines Aufnahmegeräts. Dass ich das jüngste Interview jetzt doch gleich, und dabei komfortabler als je abschreiben kann, verdanke ich der netten Presse-Crew des Gerätehändlers O. und kurzfristigem Asyl auf dem PC des Fotografen P.
Auch fort: Rosita! Abgeholt bei Nacht und Nebel – oder während mein PC ein letztes Mal runterfuhr. Zurückgeholt von der Agentur des Künstlers, nachdem wieder Platz war für schweres Stahlstemm-Gerät; nachdem das ganze Buchmessenvolk mitsamt Brillen, Rollkoffern, und Hotelschiffen Messe und Main geräumt hatte.
Abgereist all die Tausenden von Zwangslesern, die vor einer Woche noch die acht Mega-Großraumbüros der Messe bevölkerten. Ein wenig von der Verwirrung, die diese Buchbörse immer verursacht, ist noch da.
Jedenfalls bei mir und die Erinnerung ist noch frisch: Frühmorgens hin, damit mir die Verlagsvertreter von den Büchern des übernächsten Herbsts erzählen, damit ich endlich mal die Hyperallererste beim Themenvorschlagen sein würde. Während der Treffen wanderten unser aller Blicke vorwärts, seitwärts durch die Gräben zwischen den Verlagskojen. Jeden um- und beäugend: Wer da?
Manch Autor und Verlagsvertragsunterhändler zog sich klandestin hinter Schiebetüren mit der Aufschrift „Lizenzen“ zurück.
Zum ersten Mal sah ich dies Jahr Illustratoren ihr hartes Aquisebrot zerkrümeln und erfuhr, dass sie Blind-dates mit Lektoren bekommen. Stundenweise sitzen die Lektoratsvertreter dann an Minitischen und prüfen öffentlich, ob’s passt. Vor ihnen die Illustratorenschlange. Schlimmer als bei Jandls Arzt, „Einer raus, einer rein…“ Eher Amt IV oder so. Unterdes Redakteure und Freie Rezensenten drumherum im Halbstundentakt die Verlage abklappern, Bücher scannen und Titel aufschreiben wie: „Irrsal, Wirrsal, Wahnsinn“ – „Sich krank fürchten“ – „Das große Durcheinander“…
Was der Buchmesse fehlte, an einer Stelle jedenfalls: Bücher. Auf der Neuseelandbühne, wo es mich wegen der Wasserkühle schauerte, als säße ich nachts im Garten, wurde Autor Lloyd Jones vorgestellt. Nicht nur für mich eine Entdeckung. Als wir in-Bann-Gezogenen das Buch ansehen, kaufen und signieren lassen wollten – keins da.
Und was den Buchmessenbesuchern meist ohnehin fehlt, an einer Stelle aber diesmal ganz besonders: die Ruhe. Dazu wieder ein Neuseelandbeispiel: Der Autor von Whale Rider, Witi Ihimaera war angekündigt, würde seine Kollegin Cath Koa Dunsford vorstellen. Eine kleine Fangemeinde fand sich im Keller der Freitagsküche (wo später noch ein neuseeländisches 3-Gängemenü kommen sollte). Nachdem Cath in eine Muschel geblasen, mit Witi Maoribeschwörungen gesungen und zu lesen begonnen hatte, wäre ich gern im Singsang ihrer Stimme verschwunden. Doch ständig blitzte mir die Minikamera einer Frau ins Gesicht, andere „Zuhörer“ hielten Handys hoch wie Babys und als schließlich noch ein Tabletcomputer vor meinem Gesichtsfeld auftauchte (übrigens alle Hände 50 plus) – hattich fertig. Hasta la vista Baby!
Floh ich, Innerlich fluchend, das gesamte Auditorium niedermähend. Unwürdige! Nicht in der Lage, den Moment mit eigenen Augen zu greifen. Sicher zu viel negative Energie für meinen armen, alten PC.