Bild des Monats: Oktober
Ja, es ist selbstgestrickt das Graffiti – und was die Fünferpäckchen, also das Zahlenrätsel darin betrifft, mache ich es wie alle andern. Erst ziehe ich eine Zahl aus dem Nichts, suche passende Daten dazu und interpretiere das Ganze nach Strich und Faden. Kann man auch Zahlenmystik nennen. Stricken ist Mathe, das habe ich hier schon mal erklärt – diesmal hab ich vierzehn Striche macht. 14? Googeln bringt das hier: Die „hebräische Bibel“ soll laut Wiki 14 schöne Frauen kennen, 14 Stationen von Jesus’ Kreuzweg gibt’s und 14 passende „Nothelfer“ werden für die katholischen Kirche erwähnt – die wird man da grade alle brauchen. Die rechtsextremistischen Nummer spare ich aus, aber Bach: Bach hat die Buchstaben seines Namens übers Alphabet numerisiert, addiert und – 14 herausbekommen. Unser 14er-Graffiti ist ein Flugzähler: Eine Stunde überm Hotel H’Inn.
„Mind Fuck, Sex Diaries, Affe im Kopf… an manchen Buchregalen der Messe hämmerten die Titel geradezu ans Hirnkastel. Ich sah die Berater vor mir: „Titel, muss knallen, Leute!“ Sicher gab es neurodidaktische Empfehlungen, etwa wie man am erfolgreichsten Zahlen verwendet 3, 5, 7, 10 und 12 nämlich sind gute Zahlen, die kann man sich merken, die lieben die Leute. So ähnlich hab ich es selbst bei einem Relaunch-Workshop gelernt – und lese seitdem überall (auf seiner Beratungsspur) Sachen wie „die drei besten Wege aufs Eis“ oder „7 Tipps für ein Wohlfühlwochenende“, „5 Rezepte mit Erdbeeren und Spargel“ (merke auch: Rot ist Lesers Lieblingsfarbe) , oder „10 Dinge, die ich in der Sauna erlebt habe“. Der in echt erschienene Blogtext „26 Tipps gegen Schreibblockaden“ folgt dagegen definitiv keiner Zahlenberatung. Aber die SchreiberInnen, bei denen Beraterin Kerstin Hoffmann gesammelt hat, geben gute Einblicke. Nur Silvia Bovenschen hat sie nicht gefragt, deren Schreibtipp habe ich in der FAZ-Buchmessenzeitung gefunden. Hier – für alle Prokrastinierer, die Druck hassen – der Philosophin „Lieblingsbeschäftigung“: „Träge in der Sonne liegend zu …
Dieses zärtliche „Liebes“ als Anrede spukt noch durch meinen Kopf. Erst dachte zwar: Zu intim, ich luns doch nicht in fremde Tagebücher – und blätterte weiter. Doch am Ende hat mich genau diese Geschichte am meisten berührt, die ich nicht ganz gelesen hatte: Dieser Brief der Autorin an sich selbst als junge Frau. Ein zentrales Stück Reise, davon gehe ich aus. Denn: wer war man denn damals? Das junge Ich, auf dem das heutige basiert, umarmen können; es mit einem Abstand von 20, 30 Jahren betrachten… Wer dann sagen kann: „Liebes“… Gut. Auch sonst hat sie mir in den letzten Wochen immer mal einen kleinen Satz mit auf den Weg gegeben, manchmal supersimple Anmerkungen wie „Sich vom Leben überraschen lassen“. Dafür sei es nie zu spät und niemand zu alt. Man muss aber dafür eine Tür öffnen, die im Alltag wohl oft aus „Sicherheitsgründen“ versperrt ist, aus Bequemlichkeit ungeölt und verklemmt, oder die man sonstwie nicht aufkriegt, weil der Status: müd und abgelascht heißt. Für alle, die das Buch nicht kennen: Meike Winnemuth, Hamburgerin, sowie …
Ende korrekt, alles gut? Beim Film Leroy kommt das so: Erst versuchen Eva Brauns Brüder, allesamt Nazis (Wotan, Horst, Hanno, Siegfried) ihren schwarzen Freund Leroy fertig zu machen – und plötzlich wird aus den vier krassen Jungs und dem einen lieben Kerl ne Boygroup, die durch Gegenkommerz die böse, fremdenfeindliche deutsche Welt verändert. Ähm. Ja-ha. Bis dahin echt komische – und vor allem für Eltern pubertierender Kinder aufbauende – Unterhaltung, an diesem Punkt aber sackten wir enttäuscht vom Sofa. So gut wie zwischendrin die Pointen, so lausig das Ende (Gabs vielleicht ursprünglich ein anderes?). Dieser superpolitisch-korrekte und deshalb toddröge Schluss muss einfach durch das Nadelöhr Fernsehfilmredaktion geeiert sein. Genau. Und zwar bei denen mit dem Doppelblick, den ZDFlern. Die mit der App1 können das aber grad genauso schön, z.B. bei „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?“ Die taz folgerte bissig, dass der sonst doch so gute Regisseur Wolfgang Murnberger dringend Geld gebraucht haben müsse, um die Geschichte derart seicht landen zu lassen. Ich hatte mich zur Entspannung in der öffentlich-rechtlichen Badewanne rumschwappen lassen. Nicht zu …
Kronkorken, Sand, Glas… Wo jetzt, Stadtbar? Strandleben? Nein: Stand auf dem Heldenmarkt in Frankfurt. Das Zeug – Detailaufnahme – war mal Müll. Das sieht man dem Blickfänger des Stands von Beatrice Anlauff nicht mehr an. Ihr Couchtisch ist: eine große Glasscheibe auf einem mit Sand und Kronkorken gefüllten Fahrradreifen, auf einer Wäschetrommel aus einer alten Toplader-Maschine auf einer graugestrichenen Scheibe auf Rollen. Sie nennt es Verwandlungsdesign. Supergenial. Auch das Mäppchen aus einem Stück Fahrradreifen stammt aus ihrer Werkstatt. Cooles Teil – aber – Recycling? Gebrauchter Fahrradreifen sieht anders aus. Okay, okay. Erstma downcyceln, Langsam rundgucken. Wie wir’s immer machen, nämlich so wie früher Hilde Domin bei Lesungen. Sie las ihre Gedichte immer zweimal. Auf der Bühne beim ersten Rundgang ein Vegankoch, der 15 gerade zubereitete Portionen kostenlos verteilt, bei der zweiten ein Medienteam, das Zuschauer filmte. Interesse und Medieninteresse. Das Gefühl in den Gängen: retro. Die Pressemappe der Veranstalter: sechs zusammengeheftete Seiten – sieht nicht gut aus, aber es gibt ja ne Website mit allen Links. Die Stände bisschen wie Flohmarkt, Besucher und Aussteller …
Vom Glück des Kindischseindürfens im Garten schreibt Eva Demski. Kindisch? Aber ja! Oder was sonst soll das sein, wenn ich etwa kiekse „Komma gucken!“, nur weil sich, parbleu, mitten aus den Lanzenschwertern meiner Iris, urplötzlichst, weil bis eben unerkannt, eine flach gefaltete Blüte schiebt. So geschehen im Mai. Ja, da werde ich ein bisschen schwachsinnig vor Freude. Schließlich hatte sie drei Jahre nicht geblüht. Dazu blieb mir sogar noch eine Spannungsfrage: Gelb oder blau? Denn: eine meiner beiden Iris-Töpfe wurde mir während deren Herbstruhezeit aus dem Treppenhaus geklaut. Doch zum Glück hilft so ein Garten, versichert Demski, gegen Ärger und Grübeleien gleichermaßen. Sogar die Erderwärmung lässt sich vergessen, schließlich geht es hier um Verantwortungsübernahme: „Gießen. Mich. Jetzt.“ Eine Aktivität, bei der sich sogar krass verzwirbelte Synapsen entspannen – auf dass später und tatsächlich auch globales Denken wieder flutscht. Versteh gar nicht, weshalb ich Demskis Gartengeschichten erst jetzt für mich entdecke. Wohl, weil Gartenbücher mich eigentlich wenig locken. Jedenfalls die Sorte, die sich mit perfekt gestylten Bildern zum Wennmirsonstnichtseinfällt-Geschenk anbiedert. Hochglänzende Langeweile. Bisher gab es …
„Magst Du Kirschgrütze mit Joghurt?“ Wir hatten Gäste – und ich hatte für alle unser Lieblingsfrühstück vorbereitet. „Kirschgrütze? Nein danke“, antwortete sie höflich, guckte aber doch ein wenig entsetzt. Warum wir anderen ihr nicht erklärt haben, dass Grütze kein ekelhaftes Schlabberzeug ist, sondern feinstes Obstkompott? Keine Ahnung. Warum es kaum jemand selber macht? Auch keine Ahnung, denn: es gibt kaum was Einfacheres, das am Ende so verdammt lecker ist. Dann also hier und jetzt: Rote Grütze ist Beerenobst, das mit wenig Stärke gekocht wird, früher nahm man dazu in Norddeutschland (da kommt das geile Zeug her) grob gemahlenes Getreide wie Hafer, Gerste, Buchweizen… Auf althochdeutsch: gruzzi. Heute nimmt man praktischerweise Sago oder Stärkemehl. Dabei soll aber kein Glibberkram rauskommen! Nur ein etwas dickflüssigeres Kompott. Aus dem Siebeck-Kochbuch „Nicht nur Kraut und Rüben“ habe ich die Idee, es überhaupt selbst zu versuchen. Wie es dem alten Wahlfranzosen wohl geht? Ewig nichts mehr von ihm gelesen. Er schrieb damals typisch gebieterisch: nur Rhabarber und Erdbeeren oder Johannisbeeren und Pfirsiche dürfe man dafür verwenden, bei allen andern …