Fährtenlesen
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Pfote oder Schale?

Klein aber selbst gefunden! Gleich bei der ersten Spurensuche diesen Herbst mit meinem vhs-Fährtenleserkurs stolperten wir über eine Damhirsch-Schaufel. Drei Wochen später war knallrotes Würstchen mitten auf dem Uferweg der erster Hingucker. Als hätte jemand mit einer (glatt gerandeten) Spritztülle einen Hagebutten-Kringel platziert. Und Zack: Kreis gebildet, die Köpfe zusammengesteckt. Was ist das? Wer wars? Und Warum? Sofort sah es so aus wie immer, wenn Fährtenleser zusammenkommen. Ich liebe es!

Eigentlich wollte ich mit meiner vhs-Gruppe den Schwanheimer Wald erkunden. So wie in den vorhergegangenen Kursen, denn die Ecken, die ich dort gefunden habe, sind sehr schön. Meine Grundidee war zudem: Zeigen, wie viel der Frankfurter Stadtwald zu bieten hat. Kam aber anders. Paar Tage vor dem Kurs checke ich immer meine Strecken. Angekommen, wo ich sonst loslege, steht ein großes, rot gerandetes Schild: Schweinepest – Restriktionszone. Heißt: Auf den Wegen bleiben, Hunde anleinen, Pilze sammeln verboten. Also, die Schweine nicht aufscheuchen. BAM. War eigentlich zu erwarten. Bayern zäunt sich ja auch schon gegen Hessen ab… Nur witzig, dass das Schild nur rechts der Straße galt, nicht aber links. Kein Wohlfühlgebiet mehr für niemand.



Also suchte ich nach einem unbelasteten Übungsterrain – und fand es an der Nidda und in den Feldern drumherum. Also, dorthin gefahren für den Check und ausgekundschaftet, was dort gerade bei den Wildtieren so los ist. Wo es sich besonders lohnt zu schauen. Und welche Spuren oder Zeichen ich vielleicht sogar sichern sollte, um sie auch ein paar Tage später noch zeigen zu können. Im Frühjahr hatte ich etwa die Eierschale einer geschlüpften Singdrossel in ein geschütztes Versteck gelegt. Nicht zu sichern dagegen ist sowas wie Trittsiegel, wie die von Fuchs und Reh, die ich in Schwanheim am Rand einer schönen Pfütze sah. Die sind bei der Exkursion weg gewesen. So ist das draußen, man kann nichts bestellen. Aber, man kann sich was wünschen… Nix so schlecht für ebbes gut, sagt der Hesse. Tatsächlich ist die neue Gegend geradezu ein Wunschkonzert. Mehr noch: Ideale Bedingungen plus neuem Habitat, und damit ganz anderen Spuren als im Wald.

Der Bringer, auch was Vogelspuren betrifft. Sehr passend, denn im zweiten Teil meines Herbstkurses liegt mein Schwerpunkt auf Vogelverhalten und Vogelfüßen. Den meisten war völlig neu, wie Vogelfüße genau aussehen und wie sie sich unterscheiden. Genauso ging es mir ja auch vor sechs Jahren: Anisodactyler Sitzfuß, zygodactyler Kletterfuß… Hä? Nochmal bitte! Kann man sich kaum merken. Aber, wenn man Interesse hat, bleibt mit der Zeit doch was hängen. Auf jeden Fall sieht man genauer hin – und sieht mehr und mehr und mehr. Und noch mehr. Details und Besonderheiten… Fährtenlesen ist was für Natur-Rätsel- und -Krimifans. Wenn man sich bloß immer alles merken könnte.



Den Theorie-Input mache ich bisher immer samstags, diesmal mit Federn, Vogelschädel-Präparaten und diversen anderen Dingen zum Anfassen und Angucken. UNd mit vielen Beispielen der verschiedenen Fußabdrücke – In Kurs eins lernen die Leute gute W-Fragen zu stellen, sich selbst und an das Gesehene: Wer war da? Wann?, was hat das Tier da gemacht? Warum? und als Bonus: Wie hat es sich wohl gefühlt? Ängstlich, selbstsicher, aufgeregt, chillig, abwartend?

Den Kopf voller Füße gings also ins Nidda-Auenland und an Feldern längs. Schon bei Kurs I Anfang Oktober im schweinefreien Frankfurter Oberwald wurden wir reich beschenkt – Geweihfund, Eichhörnchen-Fraßspuren, Damwild-Spuren… Das Fluss- und Felder-Gebiet setzte noch eins drauf. Mit knallroter Steinmarderkacke etw. Alle paar Meter ein Würstchen, um allen zu zeigen Hey! Mein Revier – alles klar? Seine neuen Follower und angehenden Scatologen (Kackexperten) kriegen sich kaum ein, was für Bilder sie jetzt auf ihren Handys zum Vorzeigen haben. Und erst die Tiersichtungen: Rotmilane hoch oben. Hasen und ein Reh mit Jungtier sehen wir, aufgescheucht durch den Sonntagsbetrieb. Über ihren Spuren rätseln wir auf den Feldern – was war das: Fuchs? Hund? Hase? Die Grundfrage lautet ja immer: Pfote oder Schale? also, Fußabdruck eines Pfoten- oder eines Huftiers? Ein paar Kilometer weiter flattern Rebhühner an uns vorbei mit einem Sound, als ließen sie einen Drachen steigen.

Spurensatt und mit neuen Erkenntnissen ziehen wir ab. Diese Freude, wenn das gerade erworbene Wissen zu zweit, zu dritt oder auch allein getestet wird. Sie sich sich in eine Spur versenken, die sie gefunden haben. Dieses Glück, dass der Zufall so nette Truppen zusammenwürfelt. Jeder zeigt was, jede bringt was mit. Und ich lerne doppelt, weil ich was vermitteln will. Herz. Füße. Hand. Wie vor Urzeiten: Menschen lernen von Menschen.

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