Mensch Jörg! Hättste das Buch nicht ein, zwei Jahre früher schreiben können? Als ich einen verwilderten Gierschgarten hatte, in dem ich einen ganzen Ahornnachwuchswald ausgerissen und dafür Apfelbäumchen und Erdbeeren, Stachelbeer- und Himbeerstrauch, ach und noch viel mehr gepflanzt habe? Aber… ob ich dann die Geburtswehen des Buchs (über unsere Nachbarin und Freundin des Autors) überhaupt mitbekommen und das Hardcover-Ergebnis jetzt in den Händen halten würde?
Allem seine Zeit. Also jetzt. Erster Eindruck: wohltuend bodenständig. Frei von rosarotem Wellness-im-Garten-Gedöns, dafür charmant und authentisch. Bis hin zu den Fotos, die schon gerne ein Profi hätte machen dürfen, aber zu dem vorgestellten Prozedere durchaus passen. Jörg, der als Fernsehjournalist Gartenthemen für den mdr beackert, hat es wie viele aus der Branche gemacht die Bücher schreiben – sich einen Fachmenschen zur Seite geholt. Allerdings wurde Experte Martin Krumbein nicht erst für das Buch angesprochen, sondern begleitet Jörg und sein Gartenprojekt schon länger. Auf den Fotos sieht man sie, ein eingespieltes Team, ob beim Beetbau oder Salatpflanzen.
Sie geben viele gut verständliche und übersichtlich sortierte Praxistipps: Etwa, wie man selbst eine einfache oder via Labor eine tiefschürfende Analyse des Bodens machen (lassen) kann, was das Ergebnis für die Pflanzenwahl bedeutet, oder welche Eingriffe möglich sind, um die Wachstumsbedingungen für die Wunschkandidaten zu verbessern. Super auch die Aufzählung von Nütz- und Schädlingen und seine Zurückhaltung beim Morden auf der Schädlingsseite, lieber mit Nützlingen arbeiten – auch bei den Nacktschnecken (Tigerschnegel!). Au Backe. Einmal habe sogar ich mangels Tigerschnegeln und Igeln einen Rappel gekriegt, und welche mit der Gartenschere zerschnitten. Ich!?! Puh.
Die sind mit nämlich auch ins Hochbeet gekrochen, die vermaledeiten Schleimer. Apropos Hochbeet: Mit dem Buch hat man gleich neben Bauplänen eine Liste zur Hand: Was man am besten reinfüllt, dass hinterher alles gut wächst, wie lange die Füllung hält und was dort, und in welcher Form gepflanzt, gut wachsen kann. Ich habe damals mein Hochbeet mangels Jörgs Buch nach der ebenfalls sehr praxisnahen Anleitung von „Neues-vom-Landei“-Macherin Nadja Mende aufgestellt und befüllt (hier ihr Youtube-Video dazu). Darin auch ihr kostengünstiger Tipp für ein Hochbeet aus Einwegpaletten, was Jörg offenbar noch nicht kannte.
Am Anfang ist nicht unbedingt das Wort, aber doch ein Plan, findet Jörg. Da gibts dann verschiedene Möglicheiten. Gerade beim „Bio-Balkon-Kongress“ von einem „Mood Board“ gehört. Auf gut deutsch eine Skizze, mit der man sich vor dem Pflanzenkauf darüber klar werden sollte, wie man‘s gerne hätte. Jörg empfiehlt hier schlicht „Nachdenken“. Ein Foto zeigt ihn dabei, eine Kladde in der Hand. Womöglich notiert er gerade aber nicht den Wunschgarten, sondern Stichworte für ein Gedicht. Davon gibt es im Buch nämlich auch ein paar, etwa zur Blattlaus. Die Gartenlyrik ist ebenfalls bodenständig. Gereimt und bisschen guggenmosig.
Spaß und Leben im Garten kommen bei Jörg ganz sicher nicht zu kurz. Also, nicht das tierische und pflanzliche Gewusel unter und über der Erde, sondern das Menscheln. Unbezahlbar, die Kaffee-und-Kuchen-Szene. Ich auch bitte einen süßen Bienenstich! Apropos Bienen: Auch Blumen kommen vor und es gibt eine weitere prima Liste dazu, welche man essen kann. Die Akelei übrigens, die ich mir vor zwei Jahren in meinem Blütenrausch mal einverleibt habe, ist nicht dabei. Eine der ganz wenigen, die man nicht essen sollte, weil giftig.
Das Buch vereint kompakt, was man sich sonst erst zusammenrecherchieren müsste. Etwa bei den Geräten, wie dieses Ding mit den drei Zacken heißt und wofür es gut ist. Oder wie man am besten Wasser sammelt oder, noch besser, durch Mulchen Trockenheit auf den Beeten reduziert. Dazu Tipps für Gewächshaus, Früh- und Spätbeet undundund… Nochwas? Hardcover! Super gemacht. Leinenoptik und abwaschbar. Allein das ein Bringer. Tatsächlich ist das Design ein Wiedererkennungsmerkmal der „mdr Garten“-Buchreihe. Mit dem beeindruckenden Preis-Leistungs-Verhältnis wird hier der Bildungsauftrag wörtlich genommen. Kurz: Klare Empfehlung für alle Gemüse(garten)fans.