Fotografie, Gesellschaft
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Graffiti gegen Fremdenhass

Osthafenmole, Graffiti Panorama


Jogger machen Selfies, Spaziergänger können den Blick nicht wenden, Mütter und Väter, die kinderwagenschiebend am Main flanieren, stoppen für ein Handyfoto – das neue Graffiti an der Frankfurter Osthafenmole (hier das vorherige) ist schon von weitem sichtbar und lässt niemanden kalt. Zu bekannt ist das Bild des ertrunkenen Flüchtlingskinds Aylan, das die Vorlage war.

Nach dem Interview, das die beiden Frankfurter Graffiti-Künstler Justus Becker alias COR und Oğuz Şen alias Bobby Borderline der Hessenschau gegeben haben, war genau das ihr Ziel: die Menschen zu bewegen und dazu beizutragen, dass das Elend der Flüchtlinge nicht vergessen wird. Die Hafeninsel habe sich angeboten, weil sie vom Wasser umspült an die türkische Küste erinnert – und genau gegenüber der EZB gelegen ist, die somit sehr passend das eingeigelte Europa vertritt. Cor hält es für wichtig, das Bild genau „hierherzubringen, weil es die Leute erst interessiert, wenn es vor ihrer Haustür passiert.“

Es gab einen medialen Wirbel vor einem halben Jahr: Darf man dieses Foto zeigen? Muss man? Manche haben sich um die Antwort gedrückt und den Jungen verpixelt. Die türkische Fotoreporterin Nilüfer Demir sagte damals in Interviews, sie habe den stummen Schrei des Kindes sichtbar machen wollen. Sie erzählte, dass sie seit 15 Jahren das Elend von Flüchtlingen sieht – und dass sie zeigen wollte, dass diese Kinder ohne jeden Schutz waren, als sie ertranken. Keine Rettungswesten, nichts. Das Bild ist zu einer Art Sontag’schem Nachweis geworden („Fotos liefern Beweismaterial”, schrieb Susan Sontag 1973 in ihrem Essay „Über Fotografie“. „Etwas, wovon wir gehört haben, woran wir aber zweifeln, scheint ‚bestätigt‘, wenn man uns eine Fotografie davon zeigt.“ Das ist auch in Zeiten digitaler Fakes noch so. In diesem Fall der Nachweis der Grausamkeit an den europäischen Grenzen. Die Künstler haben für uns gewählt. Ein Bild für Frankfurt.

Osthafenmole, Cor und Oguz Sen
 
 
 

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