Eigentlich dürfte es diesen Buchladen gar nicht mehr geben: klein, inhabergeführt, überwiegend anspruchsvolles Sortiment sowie belesene Beratung – und alles hin und wieder von klassischer Musik untermalt. Gegenstromig. So haben sie’s geschafft: „Meichsner & Dennerlein“ ist jetzt 30. Am Montag wurde deshalb lecker umgetrunken, geklönt – und das Geheimnis des Erfolgs von Klaus Meichsner und Hanns Dennerlein gelüftet. Gleich mehr davon.
Davor ein paar Takte zum Visuellen: Vor ein paar Wochen nämlich kam die Einladungskarte. Die Buchstaben weiß und dunkellachsrosa of lachsrosa konnte ich kaum lesen, gefreut hab ich mich trotzdem. Schon allein wegen des vertrauten, genialen Scherenschnitt-Logos, das die beiden Buchhändler, einen auf der Schulter des anderen zeigt (M oben nehme ich an, aufgrund des verschmitzen Lächelns). Außerdem natürlich dem versprochenen Umtrunk und drittens schließlich dem Zitat von Enzensberger wegen, das mich nach mühsamem Entziffern im hellsten Licht dann doch prusten ließ: „Was Sie vor Augen sehen, meine Damen und Herren, das sind Buchstaben. Entschuldigen Sie.“ Also, alles lachse Absicht?
30 Jahre also, fast 25 davon kennen wir (was uns nach einem passenden Glückwunsch im Archiv suchen ließ – siehe oben). Während sonst einer nach dem anderen aufgeben und den Hugendubels, Thalias und Amazons das Feld überlassen muss – stehen sie ihren doppelten Mann. In einer Montagsschreibpause dann also hingeradelt und – den selben Blödsinn von mir gegeben wie alle andern auch: „Auf die nächsten 30“ war Trinkspruch des Tages. Und, natürlich, war früher alles besser. Früher meint hier das ursprüngliche Domizil gegenüber, wo die beiden noch zur Jahrtausendwende waren. Dort gab’s das selbe Sortiment. Und die selben Männer haben beim Geburtstagsbücheraussuchen unermüdlich beraten und wacker die ausgefallensten Bücher besorgt. Bis die dann eintrudelten war zwischen den edlen, dunklen Holzregalen, herrlich Vorsichhinsuchen und -schmökern. Ach–ja… „Hm, ich weiß, was Sie meinen“, nickt Dennerlein mit einem Blitzen im Aug, „da konnte man sechs Stunden mit einem Kunden Tee trinken – und niemand hat gestört.“ Ach?! „Ja. Wären wir dort geblieben, gäb’s uns nicht mehr.“
Dazu muss man wissen: Seit 12 Jahren ist der Laden jetzt hier. Umgezogen von der Nummer 52 auf der Dreieichstraße gegenüber in die Nummer 59, einen eigentlich hässlichen 70er Jahre Kasten. Doch die Lage zwischen Supermarkt und Drogeriefiliale reißt’s raus. Dennerlein erzählt, wie sie damals an einem Samstag die Bücher über die Straße trugen, den Laden am drauffolgenden Montag eröffneten – und sofort war dreimal so viel los. Irgendwie unglaublich und doch wieder nicht. Er erzählt von Leuten, die ums Eck wohnten und mit den Worten den Laden betraten, „Wie schön, dass es hier jetzt einen Buchladen gibt.“ In der normale Passantenblickreichweite waren die geschätzten 20 Meter über die Straße einfach nicht drin.
Wie in unserem Lieblingsstrandbad Egmond im Sommer. Direkt am großen zentralen Strandzugang liegen die Menschen Handtuch an Handtuch. Zehn Gehminuten weiter dagegen gibt’s Platz genug für Beduinenzelte. Dennerlein macht noch einen weiteren Faktor verantwortlich: die großen Fenster. Ich weiß, was er meint, es wirkt wie ein Freiluftstand. Man sieht, was drinnen passiert, und hat keine Scheu einzutreten. Dazu noch kleine Justierungen am Sortiment: mehr Kinderbücher und ein gut gepflegtes, modernes Antiquariat ohne Ramsch – fertig ist das Erfolgsrezept.
Ich träume ein wenig, Rosmarinbrot im Mund, Sektglas in der Hand und lausche den Mitbücherkäufern. Schade, dass die Leute bei Neckermann nicht auch solche Chefs hatten. Anpacker, die Beziehungen zu einander, zu Mitarbeitern und Kunden pflegen. Die einen persönlichen Draht, eine schneidige Liebe zum Unternehmen haben und nicht nur zum persönlichen Hobby Pferd oder zu börsenschnittigen Portfolios. Das Rezept für eine ungute Abwärtsspirale. „Noch ein Glas?“ Jetzt nicht, muss noch arbeiten, passenderweise an einem Text mit dem Titel „Warum wir Geburtstag feiern“.