Medienkritik
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Occupy: first we take Mainhatten

Chapeau, Wolfram Siener! Der Sprecher von Occupy Frankfurt war gestern Abend ein Zusatzgast bei Maybrit Illner. Thema des Talks: Griechenland und aktuelle Bankenkrise. Dass Wolfram Siener anfangs genau neben dem Chef der Rating-Agentur Standard and Poor’s saß, hatte schon was. Der Kameramann zeigte die beiden Gesichter nebeneinander in Großaufnahme, das allein sprach Bände. Gefragt, ob er mit dem Mann ein Problem hätte, antwortete Wolfram diplomatisch: nicht mit ihm persönlich, aber … wohl aber mit dem, was er tue. Medienstrategisch goldrichtig. Doch in Wirklichkeit geht das „ich mag dich als Mensch, aber…“ nicht. Wir sind, was wir tun. Bei Wolfram heißt das: Handeln. Jetzt. Zusammen. Gegen ein System, das uns und unsere Lebenswelt kaputt macht. Wer nicht genau weiß, worums geht: die lyrics des Cohen-Songs „First we take Manhatten“ bringen’s auf den Punkt. Der Song ist zum Leitmotiv der US-Demonstranten geworden. Kleiner Rückblick: nach den Al-Kaida Anschlägen in den USA stand er monatelang auf dem Index der Radiomoderatoren. Fondsblogger Gerd Bennewitz warnt seine Kunden jedenfalls schon mal (hier) vor dem bankenfreien Samstag in FFM, der Besetzung von Frankfurts Bankenviertel.

Wolfram war übrigens kurz bei unserem Bloggerabend am Dienstag – und sicher auch bei den Piraten, die unter uns tagten –, um auf die Occupy-Demo am Samstag hinzuweisen. „Wir sind hier in einer Mission – wäre super, wenn ihr verbreitet, was wir tun!“ Ein Poster hat er uns da gelassen mit dem Text „Get your Money back.“ Zugegeben, wir waren verblüfft. Ich hatte sie für Blogger gehalten, denn dass Wolfram eine Mission trieb, das konnte man schon spüren. Dass er dabei auch in der Lage ist, in einer TV-Talk-Runde gleichzeitig bewusst, vorsichtig und deutlich zu formulieren – super. Und das, obschon der Vertreter der Banken ihm vorher lächelnd zu verstehen gab: Ich mag dich ja als jungen Menschen, aber… Attestierte ihm, halt jung zu sein, und daher nicht alle komplexen Abläufe eines Finanzmarktes verstehen zu können. Börsenmann Dirk Müller wunderte sich, warum die Bewegung gegen die unverschämt dreiste Bereicherung des Kapitals auf Kosten der Steuerzahler nicht schon früher entstanden ist und Sahra Wagenknecht gab ihm Recht, und wollte am liebsten, dass auch gleich die Deutsche Bank besetzt würde, denn die gehöre ja ohnehin schon dem Steuerzahler. „Occupy Linke“, lautete ein Zeitungstitel zu Wagenknechts Forderungen, den ich diese Woche (wo, in der taz?) gelesen habe – Sahra Wagenknecht war gestern ein echtes Rolemodel für alle Frauen mit Meinung. Also besser: Occupy Piraten. Sie sollte zu der orangenen Partei gehen und Ulrich Wickert auch. Dort könnten die beiden ein ordentliches Konzept dafür auf die Beine stellen, wie man das Urheberrecht der Freien und freien Zugang für freie Köpfe so koordiniert, dass unsereins die Mieten auch ohne Redakteursglück zahlen kann. Und, netter Rolemodel-Nebeneffekt, dann könnten vielleicht auch Feministinnen Piraten wählen. Ulrich Wickert jedenfalls ermunterte alle dazu, damit die „großen“ Parteien endlich mal kapieren, was Sache ist. Das Trio Wickert, Wagenknecht und Müller forderten außerdem auf, auf die Straße zu gehen. Das Geld-Trio Bankenvertreter Michael Kemmer, FDP-Mann Volker Wissing und Deutschland-Ratingchef Torsten Hinrichs rollte die Augen. Chapeau auch für Dirk Müller. Der Einzige, der Wolfram immer wieder und völlig „aber“-frei erwähnte. Die sonst gut jonglierende Maybrit Illner (ihr einziger, aber dicker Minuspunkt diesen Abend) verabschiedete ihn nicht mal. … and then we take Berlin.

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