Alle Artikel mit dem Schlagwort: Frankfurt

Das Porträt: „Guck ma, noch so`n Bunter!“

  Hab ich da eben richtig gesehen? Kleine bunte Bärchen auf den Oberarmen unserer Tierarzthelferin Anna Maria Weber? Tatsächlich, auch auf den zweiten Blick tummelt sich das Fantasievolk auf ihrer Haut. Tattoo-Tiere in Comicstil, die mich angrinsen, als wollten sie mir gleich die Zunge rausstrecken, ein Häschen sogar mit Spritze im Bobbes… Dass Anna ihre Haarfarbe variiert, gern auch mit knallbunten Strähnen, bin ich gewohnt.. aber.. Tätowierungen? Ist mir neu. Sonst trägt sie auch nichts Ärmelloses.. aber.. heute ist’s brülleheiß – und ich klebe mit meinem Blick an ihr. Ihr Chef steht daneben und grinst. „Jaja, die Anna. Die hat noch mehr in petto…“ Was denn? „Sie tanzt und tritt auch auf und zwar mit zwei verschiedenen Michael Jackson-Gruppen.“ Weil gerade Zeit ist, winkt mich unser Tierdoktor zum Laptop und startet das Youtube Video vom letzten Gig in Österreich. Michael Jackson ist nun nicht so mein Geschmack, aber ich bin neugierig geworden – bisher kenne ich Anna nur als besonnene Bezwingerin unserer Kater. Wenn die nämlich zum Tierarzt müssen, verwandeln sie sich in Knäuel messerscharfer …

Blockupy: Alles ist verboten!

Der schwarze Block Frankfurt schwitzt ordentlich und hat, zwecks besserer Unterscheidung, auf dem Rücken nicht nur „Polizei“, sondern rote, blaue und neongelbe Schildchen mit römischen Ziffern angeklettet. 5000 demonstrieren am Paulsplatz, vor der deutschen Bank, vor der EZB und am Römerberg. Sie halten außerdem einen grünen Lungenflügel Frankfurts besetzt: Die Taunusanlage. Verrammelt und abgeschottet. Wer da durch will, muss schon eine Sondererlaubnis haben, also Banker, Rechtsanwalt oder einer deren Dienstleistenden sein. Touristen, Spaziergänger, Radfahrer, Jogger – müssen draußen bleiben. Die ganze Innenstadt von baden-württembergischen Polizist_innen abgeriegelt, die den verwirrten Irrfahrern nicht mal sagen können, wie sie zum Bahnhof kommen. Frankfurt Mitte Mai: Seit Montag ist Panik angesagt: Die Deutsche Bank packt ihre Skulpturen ein und zieht einen fünffachen Ring von schwarz bespannten Zäunen um ihre Türme. 40.000 gewaltbereite Demonstranten seien unterwegs, der HR interviewt Geschäftsleute in der Innenstadt und wünscht ihnen am Ende „viel Glück“, die Polizei empfiehlt: Eltern sollen ihre Kinder nicht in den Kindergarten bringen, Banker und Rechtsanwälte nicht Kostüm, Schlips und Anzug tragen, sondern „unauffällig“ in Freizeitkleidung kommen (unauffällig? Können die gar …

Stay, Yahye stay! Lasst ihn endlich sein Leben starten

  Das Ausländergesetz ist nicht für die Menschen da, es regelt nur den Umgang mit ihnen durch die Behörde. Chef der Frankfurter Ausländerbehörde, 2003. Wir treffen den Ex-Kindersoldaten, Flüchtling, Rapper, wir treffen Yahye (spricht man Yachje) bei sich zuhause. Er checkt die Deutsch-Hausaufgaben in seinem knallrot gestrichenen WG-Zimmer unterm Dach. Betroffenheitsgetue und Winkelzüge von Anwälten sind nicht sein Ding. Flucht soll vorbei sein, die Zukunft beginnnen – er will ein Bleiberecht für dieses Land, dafür arbeitet er mit aller Kraft. Er blättert in seinem Heft. Alles erledigt? Der ebenfalls tiefrote Teppichboden schlägt eine trotzige Falte, der Junge mit den starken Oberarmen, dem runden Gesicht und der männlichen Stimme hat ihn selbst verlegt. Mit 13 ist er aus Somalia nach Polen geflohen. Allein. Letzten Sommer, mit 17, flieht er von dort nach Frankfurt – und wird kurze Zeit später aufgefordert, „freiwillig“ wieder auszureisen. „Fliegen oder Knast“, so schätzt er die Alternative ein. „Dann doch lieber sehen, was mir in Polen einfällt“, entscheidet er, packt und stellt um auf Überleben. Am nächsten Morgen um acht würde er …

Jetzt erst Recht! Erst recht jetzt?

  Von der Terminaldecke mit Blickrichtung der Abflugtafel hängt ein riesiges Plakat, Aufschrift: „Freitag schon auf Montag freuen!“ Nette Begrüßung, auch wenn’s nicht wirklich den Demonstranten gegen Ausbau und Fluglärm gilt. „Jetzt erst recht“, die heutige Parole der BI Flörsheim-Hochheim, in Form knallroter Pappen ausgegeben, ist eine passende Antwort. Inmitten des Schilderwaldes blitzen die Pappen überall hervor, verleihen der montäglichen Demostunde einen nachdrücklichen roten Faden. Auch sonst haben sich die BI-ler was einfallen lassen für: als Leitfiguren auf der Bühne und an der Spitze des Demozugs eine Troika stahlblonder Hochheimer „Stewardessen“ (im Funkenmariechen-Kostüm), ein Fluglärmlied nach der Musik des Lieds „Skandal um Rosi“, Refrain hier: Skandal in Rhein-Main – und während des obligatorischen Rundgangs durch den Terminal bedröhnt eingespielter Fluglärm die nach Ruhe schnappenden Fluggäste. Es ist die letzte Demo vor der Entscheidung des Leipziger Gerichts und für rund 2000 Leute scheint dies ein fester Termin im Wochenplan zu sein (Freitag schon auf Montag freuen). Bei allem Spaß: sicher würden die Topfdeckelschläger Eimertrommler und (verbotenen) Trillerpfeifer diesen Termin gern und sofort streichen – wenn, ja, …

Wahlfilter: Schwarz-weiß oder Farbe?

  Schwarzweiß-Malerei, Schwarzweiß-Denken – den Blick aufs Schwarz-Weiße als altbackenen Look, negativ konnotiert als ‚Sehen ohne Nuancen‘ gibt’s schon lange; auch wenn’s, wie man auf guten SW-Fotos sehen kann, null trifft. Bei uns ist „sieht ja aus wie schwarz-weiß“ ein Running Gag aus Wim Wenders’ „Der Stand der Dinge“. Der Ausruf entfährt dem entsetzten Filmproduzenten: „Ich denke: Das sieht ja aus wie schwarz-weiß – – – es ist schwarz-weiß!“ Und? Dann und dafür will kein Geld mehr zahlen. Das war ein zynisch-selbstironisch-verzweifelter Autoren-Kommentar – damals war Wenders der Schwarzweiß-Filmer – aber Farbe, Farbe war Zukunft. Und jetzt? Schwarzweiß war so lange so was von out, dass die Werbebranche es vor ein paar Jahren als verdammt cool wieder entdeckt hat. Und: Was kaum noch jemand weiß, da kaum noch jemand so fotografieren kann – es hat ja was besonderes, es relativiert die Dinge. Schwarz-Weiß-Sehen ist nicht Polarisieren, sondern Sortieren. Eine Kunst, das ein Auge erfordert, das schwarz-weiß sehen kann. Denn aus der Menge der visuellen Reize sticht dann plötzlich nicht mehr das Bunteste hervor, sondern Muster …

Hart am Wind: Fluglärm ahoi!

Schwalben falten und in Fraports Terminal 1B (Rhein-Main-Montagsdemo) fliegen lassen. Das wär doch mal nett, denk ich so bei mir. Paar Tage später les ich auf facebook, dass andere auch auf die Idee gekommen sind, aber woanders: „Familien gegen Fluglärm“, das Elternbündnis der Frankfurter Martin-Buber-Grundschule. Übermorgen, Freitag 27. Januar, lassen die Papierflieger vom Turm der Bergkirche segeln und schicken die echt leisen Papierjets dann an die Landesregierung. Warum? Täglich dröhnen bis zu 400 Maschinen direkt über das Schulgebäude am südlichen Rand Frankfurts, für Laien undefinierbarer Flugfeinstaubdreck rieselt herab, die Flughöhe liegt unter 400 Metern, die meisten Flieger haben das Fahrwerk schon ausgefahren – ist noch mal lauter. Die Einrichtung ist als „Umweltschule“ ausgezeichnet. Weil keiner der Stadt- oder Landespolitiker eine Antwort für nötig hielt oder sich gar blicken ließ – jetzt also Aktion Papierflug. Apropos Segeln. Laura Dekker soll noch vor ihrer Abreise, die Diagnose Borderlinerin gekriegt haben, damit kann man Leute gut abstempeln. Durch den Segeltörn jetzt soll sie auch noch ihren Gemeinsinn verloren haben, urteilt Psychologe Michael Winterhoff. MannMannMann. Müssen aber viele hessische …

Occupy Fraport: We`ll be back Monday

  Montag 16.1. Sachsenhausen, S-Bahn-Station Stadion, 17 Uhr 21 „Ich bring erst die junge Dame hier zum Flieger, dann stoße ich zu euch“, outet sich einer der Wartenden und kommentiert selbstironisch grinsend, „erst fliegen , denn protestieren…“ „Wir fliegen auch gerne,“ beruhigt ihn eine Frau, die gerade gegen die beißende Kälte eine Mütze auspackt. Zwischen die Beine geklemmt ein Schild, dessen Aufschrift sie als Sachsenhäuser Nachtfluggegnerin ausweist. Hab mir vorgestellt, das hier mehr Leute sind, denke ich noch, während mir grade die Finger abfrieren, dann rauscht endlich die Bahn ein – und ist rammelvoll. Da hilft nur: Lücke anpeilen, Augen zu, und rein.   Flughafen, Terminal 1B, 18 Uhr 16 Am Flughafen dann spuckt die Bahn Demonstranten zu Hunderten aus, und die nächste wieder, und auch die aus der Gegenrichtung. Im Viertelstundentakt kommen Leute aus: Mainz-Gustavsburg, Hanau, Rumpenheim, Offenkrach, Flörsheim, Schwabenheim…. Das jedenfalls kann man auf ihren selbst gebastelten Ortsschildern lesen. Wenn wieder ein Schwung Menschen angekommen ist, wird sich erst mal sortiert. Jee-ens?! Hallo Karlheinz! Mensch Moni, schön, dass du da bist! Am Ende …

Zeitzeichen: Goldstrom

… Goldstrom ist unser Kommentar zum Thema Finanzwelten. Die eine Realität: Realeinkommen sind geringer als vor zehn Jahren, hat der DGB ausgerechnet (Quelle: Frankfurter Rundschau 24.11.11). Die Managergehälter dagegen sind nach einem kurzen Knick (Verzicht auf Boni, „Fairpay“) wieder auf dem Niveau wie vor der Finanzkrise. Nach einem Arbeitspapier der Hans-Boeckler-Stiftung verdienten Vorstandsvorsitzende der Dax-30 Unternehmen im Schnitt in 2008 1.092.000, in 2009 1.166.000 und in 2010 1.221.000 Euro. Letztes Jahr dürften es nicht weniger geworden sein. Der kapitale Golfstrom wärmt also noch. Manche.

Strickrausch bei Occupy: “Get up stand up!…”

20.11.2011 Tadaa! Strickrausch ist da! Sechs Frauen an der Nadel. Handwerkerinnen, die multiple Verstrickungen, hintersinnige Parolen und Tags in der Mainstadt lieben ohne sich vor Fallstricken zu fürchten. Zwei links, zwei über, zwei zusammen und uffgestrickt! Strickgraffiti-Ideen im Sixpack. Kurz, Strickrausch. Strick-Einsatz 1: Stein-Kissenbezüge als Soli-Aktion für Occupy Frankfurt. Strick-Location: Mäuerchen mit Sofakissensteinen, das die EZB-Camp-Anlage mit Blick aufs Schauspiel begrenzt. Lieblingsplatz von Skatern, Bike-Hockeyspielern und Occupybesuchern. Strick-Tribute: an unsere Geburtshelfer aus München, Kommando Agnes Richter, Klaus Dietl und Steffi Müller Strick-Parole: „Get up stand up!“ Aufsteh’n also für Gerechtigkeit. Heißt für uns erst mal: Hinsetzen und Sticheln für’n Hingucker und dann: Rausgehen. Einmischen, Zeichen setzen fürs bunte Leben in dieser Stadt. Gerüscht, gerafft? Getaggt. „Wollte immer schon mal wissen, wer so was macht“, haut uns einer von Occupy an. Einer von den eher alten Wilden. Findet uns super (Danke) und klärt auf, dass wir gerade Verbotenes tun. Verschandelung durch Graffiti-Tags? Nö, Nichtachtung des Totensonntags. Totensonntag nämlich heißt: Versammlungsrecht nur auf dem Friedhof. Überall woanders sind Ansammlungen von mehr als drei Leuten verboten. So was …