Gesellschaft
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Wahlfilter: Schwarz-weiß oder Farbe?

 

Schwarzweiß-Malerei, Schwarzweiß-Denken – den Blick aufs Schwarz-Weiße als altbackenen Look, negativ konnotiert als ‘Sehen ohne Nuancen’ gibt’s schon lange; auch wenn’s, wie man auf guten SW-Fotos sehen kann, null trifft.

Bei uns ist „sieht ja aus wie schwarz-weiß“ ein Running Gag aus Wim Wenders’ „Der Stand der Dinge“. Der Ausruf entfährt dem entsetzten Filmproduzenten: „Ich denke: Das sieht ja aus wie schwarz-weiß – – – es ist schwarz-weiß!“ Und? Dann und dafür will kein Geld mehr zahlen. Das war ein zynisch-selbstironisch-verzweifelter Autoren-Kommentar – damals war Wenders der Schwarzweiß-Filmer – aber Farbe, Farbe war Zukunft. Und jetzt? Schwarzweiß war so lange so was von out, dass die Werbebranche es vor ein paar Jahren als verdammt cool wieder entdeckt hat. Und: Was kaum noch jemand weiß, da kaum noch jemand so fotografieren kann – es hat ja was besonderes, es relativiert die Dinge. Schwarz-Weiß-Sehen ist nicht Polarisieren, sondern Sortieren. Eine Kunst, das ein Auge erfordert, das schwarz-weiß sehen kann. Denn aus der Menge der visuellen Reize sticht dann plötzlich nicht mehr das Bunteste hervor, sondern Muster und Struktur. Kurz, das Wesentliche. Ich finde jedenfalls die geheimnisvoll glänzenden, vielschichtigen und silberhaltigen Schwarz-Weiß-Fotos, die in unserem Archiv liegen, oder die in Ausstellungen gezeigt werden, noch immer zeitlos schön und wunderbar.

Vielleicht hat es mich deswegen so gestört, dass ausgerechnet der konservative Kandidat der CDU für das Oberbürgermeisteramt der Stadt Frankfurt, Boris Rhein, mit – Schwarzweiß-Plakaten geworben hat. Die ersten, die ich sah: der Mann im Vordergrund wie ein Fels, mit einer an ihn geschmiegten Frau – mir sträubten sich die Haare. Mutig. Sagte Pat. Mutig und richtig gut. Mal echt andre Plakate. Das fällt auf.

Verdammt. Touché. Mal abgesehen von Person und Assoziation sahen diese Plakate einfach cool aus. Schwarz-weiß und orange, und das Ganze verdichtet auf die wesentliche, rein visuelle Aussage „Ich und die Menschen, der Stadt – das passt“. Die anderen Plakate dagegen waren aus dem üblichen Baukasten der Wahlwerber: Die Frauen standen völlig uncharismatisch, mit Orchideenprogrammen und seltsamen Aussagen nur für sich selbst – mit Grinseporträts die Grüne Rosemarie Heilig, mit Seriosität die Frau Doktor der Flughafenausbaugegnerpartei Ursula Fechter, und mit wechselnden Plakatparolen in den Händen die Junglinke Janine Wissler. Die Katzen-Kinder-Ich-bin-das-Volk-Poster des Piraten Herbert Förster? Hm.

Einzig ernsthafter Gegner war ein anderer Mann. Schade. Vorbei die Momente neidvoller Bewunderung für uns Frankfurter, die mich etwa die junge Frau an der Rezeption des Wiener Campingplatzes erleben ließ: Wow! Ihr habt ja eine Frau als Oberbürgermeister??!! Also Peter Feldmann, der sch auf den Plakaten so wacker mit sozialdemokratischen Bildbausteinen inszenieren ließ, das man wirklich fragen mochte: Welchen Beruf hat denn Ihr Werbegrafiker?

Jetzt werden die Plakate neu gemischt. Die Frauen sind raus, die schwarz-roten Jungs gehen in die Stichwahl. „Wissen Sie was?“, sagt zu mir ein Aboverkäufer, der sich redlich müht, die Frankfurter Rundschau unter die Supermarktkunden zu bringen. „Was glauben Sie, was mehr darüber entscheidet ob mir jemand ein Abo abnimmt? Mein Haarschnitt (A) oder der Inhalt (B)?“ Nun? (A) natürlich. Dazu muss es Studien geben, denn mit einem Mal hat die CDU-Werbeagentur Angst vor ihrer Courage? Was, wenn die Leute Coolness, Hochfliegerei und Arroganz der Avantgarde nicht mögen und lieber das bekannte Baukastensystem haben wollen. Plötzlich wird gelächelt und gelockt. Ziele und Strukturen sind verwischt, und: Rheins Plakate bunt.

 

 

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