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Radtouren 2023 –  #1 Zeeland

Allein der Name macht schon Reiselust: Zeeland… 2022 waren wir schonmal da und fanden, da geht noch was, und dies und das wollen wir auch noch sehen… Herrlich vielfältig, diese niederländische Provinz. Dazu gesegnet mit einem Mix von Eigensinn und Weltoffenheit, typisch Küstenbewohner. Dass die Niederlande Radfahrerlande sind steigert unsere Reiselust um ein weiteres Pfund. Nochwas? Ja klar: Großartige Naturcampingplätze, die hier in Zeeland von Förstern betrieben werden, und neben Tourismusangebot ein geniales Stück Naturschutz sind. Wo gezeltet wird, wird nicht gefällt. Und die Touris sind ja nicht das ganze Jahr da. Immer sehr beschaulich. Immer? Nun ja, wenn nicht gerade Pfingsten ist. Als wir kamen, (vor Pfingsten) waren sechs von über 70 Plätzen belegt. Saftig grünes Gras, sehr gepflegt, kleines Gewässer, ein vogelzwitscherndes Wäldchen, Picknickbänke, kurz:  Alles, was man braucht. Wir suchten uns gemütlich einen Platz aus, hatten zwar einen bestimmten gebucht, doch die Nummerierungen fanden wir erst, als das Zelt schon stand.



Die erste Nacht seit langem wieder draußen. So ein Glück! Im Frühling vom Dawn-Chorus der Vögel geweckt zu werden. Ich machte Aufnahmen, lauschte und bestimmte. Nach dem Freiluft-Frühstück die Räder gepackt und los: Vrouwenpolder, Oostkapelle und zum Strand. Die Sonne schien. Am liebsten wäre ich ins Wasser marschiert, doch der Wind frischte uns ordentlich durch, und war ebenso ordentlich kalt. Der Strand entsprechend leer. Dafür das Café mit den schönen Windschutzscheiben brechend voll. Zurück in den Kaltwind, durch den Veerse Märchen-Küstenwald zum Einkaufen nach Seerooskerke. Dort an der Wand ein Schild: „Der erste Stein für diesen Supermarkt wurde gelegt von Dan Voos, 3 Jahre.“ Das war 2015. Wie mag das für ihn jetzt sein? Kann er sich jetzt immer anschauen, seine frühe Heldentat.

Zurück am Platz kam, was kommen musste: Pfingsten. Unser Wahlzeltplatz würde ab dem nächsten Tag belegt sein, sagte der Bos- und Campwachter. Also, umziehen! Das ging ganz fix. Aber was dann kam, darauf waren wir nicht vorbereitet, Schluss mit Ruhe und Beschaulichkeit: Gut 140 Menschen auf dem Platz. Unsere übernächsten Zeltnachbarn boten für zwei Tage alles auf, hatten alles eingepackt, was Urlaubsfeeling versprach und nicht niet- und nagelfest war. Aufblasbares Kanu, Grill mit allem Schnick und Schnack, Stühle, Tische, Riesenzelt, Spielsachen ohne Ende und Bla und Blupp. Plötzlich waren viele, die man vorher nett gegrüßt hatte, unzugänglich und verschlossen, zogen einen kleinen Schutzwall um sich. Nur manche unverändert. Die Hartgesottenen wissen: This too will pass. Unsere Strategie: Früh losfahren, spät zurück. Gab genug zum Gucken.



Oranjezon etwa. Großes Natur-Highlight. Ein geschützter Dünenbereich, der nur einen Hauptzugang hat, an dem man Tickets lösen muss. Was die wohl kosten? Ein Euro pro Nase! Für den Erhalt. Wir kamen zweimal, um in zwei verschiedene Dünenwelten einzutauchen, die Waldroute, ein Feuchtgebiet – und die Sumpf-Herzblatt-Route in den Dünen. Die wiederum war gar nicht sumpfig, eher sandig. Die Sonne heiß, der Wind kalt, so wie die ganzen 10 Tage unserer Reise.
Und Frühling. Ein Kuckuck! Hu-hu-hu, hu-hu-hu. Klang wie Wiedehopf. Hä? – um mich oder wen immer zu verwirren. Auch die Zeltplatz-Kuckucke gaben die erstaunlichsten Töne von sich.
Nächstes Highlight Kamperland. Fahrradfähre fahren, in einem legendären Bäckerei-Café Cappu trinken und Leckereien verputzen. Danach durch einen sturmerprobten Küstenwald.

Um den Campingplatz herum ist alles Grün erst alles nach dem Krieg künstlich angelegt. Wir erkunden das Gelände, stoßen auf herrlich in das Ensemble integrierte Kunst, und landen schließlich an einem traumhaften, kreisrund angelegten Ausguck aufs Wasser. Oh. Ah, schon jemand da. Ein Pole, der dort angelt, und mit seinem Auto so weit zum Angelplatz fährt, wie möglich. Belegt! Strömte er grußlos aus. Kleine Verwirrung wird gerne groß. In der Fremde wie Zuhause: Unsicherheit ist die Mutter aller Probleme.



In Walcheren und Middelburg waren wir im Jahr zuvor schon, diesmal mit mehr Ruhe. Ich liebe es, Strecken schon zu kennen. Beim wiederholten Befahren freut mich, was ich beim ersten Mal alles schon wahrgenommen habe. Und dann weitet sich der Blick. Am letzten Tag entdeckten wir die walcheren-, wenn nicht weltbeste Bäckerei im nahen Küstenort Veere. Winzigklein. Verkauf aus einer Garage heraus: De Zeeuwse Bakker. Sagenhafte Kekse, Croissants und Kuchen. Hach, und diese Landwinkel, Hofläden, so schön bestückt.

Reisen in Europa sei sowas wie Verbleiben in der Komfortzone, schrieb David Pfeifer gestern in der SZ und ermunterte die Deutschen in die Ferne zu reisen, um die Fremdenangst abzulegen. Ist was dran. Erinnerte mich an den Bericht über einen Unternehmer, der seine Azubis auf Reisen schickt, damit sie weltoffener werden. Superidee. Pfeifer spießt einen wichtigen Punkt auf:  Erst der Vergleich macht deutlich wie gut wir es haben und wie verrückt manche Nölerei ist. Kurz, die Unterschiede an Ansprüchen, Einstellungen und Möglichkeiten in der Welt. Aber, die Angst ablegen, kann das nicht überall gelingen? Gibt ja unfassbar Fremdes schon direkt vor der Haustür. Muss man nicht wegfliegen. Eine Herausforderung, Waage zu sein. Geist offenhalten und Herz. Allüberall. Schwierig genug, die inner Impressions zum Bild zusammen zu schieben. Etwa im Strandcafé. Stunden nur sitzen und Staunen. Dank u wel Zeeuwse mensen!


 

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