Gesellschaft, Tagebuch
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Hard Rain: Dylan und Druff

Weiß wirklich nicht, weshalb sich alle so über den Nobelpreis für Dylan und Dylan als Nobelpreisträger aufregen. Finde, er hat einen hervorragenden Kompromiss geschlossen und sogar ohne ein Wort deutlich gemacht, dass es auch nobeleske Frauen gibt. Sich zu verweigern ohne sich komplett abzuwenden, Diskussionen anzustoßen ohne das Wort zu führen, poetisch konsequent bis ins Mark zu reagieren – Hey, was wäre literarischer?

Und was zeitangemessener? Denn zeitgemäß ist die ganze Nummer ja Brechtseidank nicht. Eher Hard-Rain-Stuff. Zeitgemäß ist, seinem Partner eine Rastaus-Zeit zu schenken, ein Hotelzimmer zu mieten, indem er/sie alles kurz und klein schlagen kann. Die Superidee stammt, woher wohl, aus USA. Genauer aus Texas, wo in Anger-Rooms seit etwa acht Jahren Sperrmüll mit Lust zu Kleinholz pulverisiert wird – seit kurzem kann man sich auch dabei filmen lassen. Interessantes Material, nehme ich an. Wäre sicher gut für eine Runde Selbsterkenntnis. Aber darum geht‘s nun eher nicht. Das Rumms und Poff soll entlastend und stressmindernd wirken. Nach der Wahl von Trump sollen die Buchungen in den USA in die Höhe geschnellt sein, schreibt Claire Martin in ihrem Artikel zum Thema für die New York Times Wochenendbeilage.


 
Aber es gibt das ja auch hier in Deutschland. Aus verlässlicher Familienquelle habe ich auf mein „Warum macht man das denn?“ die unbekümmerte Antwort erhalten – das sei in und mache einfach Spaß. Die Times Journalistin hat einen Psychologen gefragt, nach dessen Äußerungen die Ausrastzeit eher kontraproduktiv ist. Für Stressabbau empfiehlt er daher Verhaltensschulungen, die auf Achtsamkeit basieren, oder Meditationen. O-kay, aber wie langweilig hört sich das denn an?

Der Hinweis auf diese, sicher den Geisteszustand besser fördernden, Übungen wird ebenso wenig nutzen, wie Kindern aus Gesundheitsgründen Äpfel statt Schokolade zu empfehlen. Interessant ist aber vielleicht doch der Hinweis, dass die Substanzen, die bei den Kleinholzwütereien das Hirn fluten, eher schaden. Ja, schaden.


 
Also nix Wellness am Ende, sondern ein Flimmern in der Herzgegend, das zu Arztweißwas führen kann. Also Obacht! Denn das ist ja für die Anger-Room Zielgruppe, insbesondre die Zwanzig- und Dreißplusjährigen schon wichtig: Die eigene Befindlichkeit, der eigene Auftritt auf der sozialen Bühne und die eigene Reputation rundum. Das Eigentum. Die Angst. Der Kurzschluss. Schließen sogar Kinderwägen im Dachgeschosstreppenhaus an, wo nie jemand hinkommt außer Putzenden. Ach, und dem mal entkommen, einen Overall anziehen, der einen rausnimmt aus der Welt, der einen vermummt und schützt, ein Eskapismus-Kostüm par excellence. Das einen nochdazu die böse, unberechenbare Seite ausleben lässt. Böse Mädchen kommen schließlich überall hin — nicht wahr.

Kann ich alles nachvollziehen. Doch mit dem Overallausziehen und dem Fürdenausbruchbezahlthaben ist ja nix weg. Das Gefühl bleibt. Wird gespeichert womöglich als eins, das voll kickt. Möchte nicht neben dem bodygebuildeten Typ stehn, aus dem es dann bei genügend hohem Stresslevel live herausbricht. Aber auch bei einer schwächeren Ausgabe wissen die derart geschulten Hände dann schon, was man effektvoll und wie zum Kaputt- oder Tothauen schwingt.

Dann lieber Dylan, der das Unberechenbare kultiviert. Der besingt, was Menschsein jenseits friedlicher Meditation war. Sein kann. Ist. Wie Patti Smith by the way. Danke Bob, da mir deren Songs näher und vertrauter sind. Noble. Ohne Weihnachtsschmus auch im harten Regen. Einfach Experi-enced.
 
 
 

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