Der Flusskrebs im Mönchhofweiher wird unbeeindruckt seine Pflanzenkost schlürfen, wenn Angela Merkel aus dem Flieger steigt und – wahrscheinlich – ein Bändchen zerschneidet. Spätestens dann ist es mit dem relativ geruhsamen Leben vorbei am klaren Wohnsee des Flusskrebses, der bis vor einem Jahr mitten im Kelsterbacher Wald lag. Heute: Erste Reihe an der neuen Nordwestbahn. Die Badenden haben bald unverstellten Blick auf Landeanflüge. Vor allem aber ist es mit der Ruhe in den umliegenden Städten und Orten vorbei, ein paar Kelsterbacher brauchen nur, wie der Flusskrebs, mal den Kopf heben. Die rotweißen Lampen der Einflugschneise sind dann nicht zu übersehen. Die Verträglichkeit des Tag- und Nacht-Lärmpegels werden alle Anlieger von 21. bis 30.10. testen, wenn der vorläufige Betrieb auf dem Rhein-Main-Flughafen Fraport eröffnet wird. Danach sind, nach dem Entscheid des Landesgerichts, (vorerst) nur Tagflüge erlaubt.
Fraport und Lufthansa ärgern sich über dieses Urteil so kurz vor der Eröffnung, und rufen „Weihnachten fällt aus!“ „Die Post liegt lahm!“ Das Schreckensszenario der Fraport- Presseabteilung heißt: keine Päckchen (mit Hightech-Unterhaltung) unterm Weihnachtsbaum. Doch keine Angst Weihnachtsmänner, das letzte Wort wird noch nicht gesprochen sein.
Bisher war das Angstszenario der Menschen in der Umgebung nicht, dass Weihnachten wegen Nachtflugverbots ausfiele, sondern wegen Arbeitsplatz- und Geldmangel. Die Argumente Arbeitsplätze, Wirtschaftsstandort, Jobmotor haben immer die der Lebensqualität und des Umweltschutzes ausgestochen. Dennoch: die Älteren erinnern sich, dass nach den Bürgerprotesten um die Startbahnwest der damalige Ministerpräsident Börner versprach: Der Flughafen bleibe fortan innerhalb des Zauns. Gelogen war das nicht. Der Zaunumfang ist halt gewachsen. Vor 15 Jahren glaubten die Rhein-Main-Förster auch noch an die Schutzkraft des „Bannwaldgesetzes“. Wenn wir nichts mehr sagen dürfen, steckte mir vor 15 Jahren eine Führungskraft aus dem Bereich Hessenforst, wissen Sie Bescheid. Bescheid.
Der Schulterschluss zwischen Politik, Wirtschaft und Justiz, funktioniert in Hessen offenbar schon lange und schon sehr gut. Das Bannwaldgesetz wurde aufgehoben. Lektion: Gesetze gelten so lange, bis das öffentliche Interesse – sprich das der Wrtschaft – drüber steht. Die Ausbaugegner BIs konnten dem nichts entgegensetzen. Einziges Haar in der Fliegersuppe: Der Ausbau wurde von den Kasseler und Leipziger Richtern nur unter der Bedingung erlaubt, dass Fraport das zugesicherte Nachflugverbot umsetzt.
Da man häufig lesen und von Piloten hören kann, die noch gar nicht eröffnete Rollbahn sei eigentlich viel zu klein, erwarten alle erfahrenen Ausbaugegner, dass dies nicht die letzte Landebahn im Wald sein wird. Der mittlerweile eher einem Motten zerfressenen Teppich gleicht. Occupy Landebahn?
Bei aller Kritik – Fraport macht einen guten Job. Sie sorgen für die Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter. Fraport ist ein geschätzter und guter Arbeitgeber, und auch ein geschätzter und guter Sponsor der Region, macht außerdem erstklassige Pressearbeit. Die Ortschaften rund um den Flughafen sind in der Tat abhängig von diesem Drehkreuz. Zudem haben die Flughafenmacher ausgebufftes Personal in ihren Rechts- wie in allen anderen Abteilungen, von daher bin ich gespannt, was ihnen zum Thema Nachtflüge einfällt.
Und: sie bieten den Leuten was. Zum Tag der offenen Landebahn “Happy Landing“ („30 Jahre Fraport“), lange vor der Eröffnung kamen 60.000. Niemals habe ich so viele gegen den Ausbau auf die Straße oder in den Wald marschieren sehen. Würstchenessen, Musik hören und Landebahn gucken hat schon was. Fliegen, die Flieger, ob alt oder neu, die neue Rollbrücke über die A5 auch. Faszinierend ist dieser Ort schon immer. Für Kinder, Technikfreaks und fürs Fernweh.
Im übrigen – seltsamer Katzenschwanzbiss – ohne Umweltzerstörer wie sie, könnte man den Naturschutz haken. Für jeden gefällten Hektar Wald nämlich sind Kompensationsleistungen fällig. Heißt: Fraport pflanzt irgendwo im Westerwald oder bei Rüsselsheim Bäume. Leider nicht im Ballungsraum Rhein-Main. Dort ist ja kein Platz, dort fällt Fraport nur und schnallt den so dringend benötigten Grüngürtel immer enger.
Der Grundwasserspiegel der Region ist bereits um rund sechs Meter abgesunken. Wenn dann noch der Lärm zunimmt, der Dreck, und die Hitze – alles Dinge, die der Wald bisher abgefiltert hat –, dann erst werden die Menschen verstehen, was passiert, wenn man einen Wald abholzt der gut durchmischt ist und mit seinen jungen bis uralten Bäumen seltenen Tierarten Zuflucht und so Menschen wie mir Ruhe geboten hat.