Gesellschaft, Natur und Umwelt, Reportage
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Jetzt erst Recht! Erst recht jetzt?

 

Von der Terminaldecke mit Blickrichtung der Abflugtafel hängt ein riesiges Plakat, Aufschrift: „Freitag schon auf Montag freuen!“ Nette Begrüßung, auch wenn’s nicht wirklich den Demonstranten gegen Ausbau und Fluglärm gilt. „Jetzt erst recht“, die heutige Parole der BI Flörsheim-Hochheim, in Form knallroter Pappen ausgegeben, ist eine passende Antwort. Inmitten des Schilderwaldes blitzen die Pappen überall hervor, verleihen der montäglichen Demostunde einen nachdrücklichen roten Faden. Auch sonst haben sich die BI-ler was einfallen lassen für: als Leitfiguren auf der Bühne und an der Spitze des Demozugs eine Troika stahlblonder Hochheimer „Stewardessen“ (im Funkenmariechen-Kostüm), ein Fluglärmlied nach der Musik des Lieds „Skandal um Rosi“, Refrain hier: Skandal in Rhein-Main – und während des obligatorischen Rundgangs durch den Terminal bedröhnt eingespielter Fluglärm die nach Ruhe schnappenden Fluggäste.

Es ist die letzte Demo vor der Entscheidung des Leipziger Gerichts und für rund 2000 Leute scheint dies ein fester Termin im Wochenplan zu sein (Freitag schon auf Montag freuen). Bei allem Spaß: sicher würden die Topfdeckelschläger Eimertrommler und (verbotenen) Trillerpfeifer diesen Termin gern und sofort streichen – wenn, ja, wenn es Ruhe gäbe. Natürlich nachts. Aber am liebsten auch am Tag. Der Satz von Fraport Chef Schulte, man könne sich doch an den Fluglärm gewöhnen – bringt ihm deswegen hier und heute nur ohrenbetäubendes Getöse, Buh-Rufe und Trillergepfeife ein.

 

„Die Bahn muss weg“ wird gerufen, „jetzt erst recht“. Basserstaunt waren die Politiker, dass plötzlich doch Leute auf die Straße gingen und dass doch Tausende waren, noch erstaunter, dass sie immer wieder kommen. Mir wird ganz schwummerig vor Deja vu. Wie oft noch? Demonstranten und Flughafenpersonal kennen sich ja jetzt schon eine Weile, es ist die 18. Demo immerhin und das Feeling beinah wie im Zoo – die einen Parolen rufend und Schilder schwenkend, die anderen mit professionell runtergedimmtem Lächeln. Jeder auf seiner Seite des Weltbildzauns.

Zwei Tage später haben wir es amtlich:

Die Bahn darf bleiben, und das Nachtflugverbot auch (gibts übrigens in der gesamten Schweiz seit 50 Jahren). Habs grade auch in der taz kommentiert: mit Blick nach Brüssel. Wenn ich an das Gezeter der Lufthansa denke, Weihnachten fällt aus, 40 Mio Verlust. Wenn man 320 Mio Gewinn macht… Doch die 150 Randnachtflüge werden kommen, sind ja längst eingeplant und am Tag wird weiterhin der Lärm zunehmen, da eine Deckelung nirgendwo vorgesehen ist. Kann man sich dran gewöhnen? Derzeit läuft eine Studie über die Belastung mit Fluglärm in der Nacht. Zwischenergebnis: sie erhöht den Blutdruck. Wie wär’s: alle Leute, denen Fluglärm nichts ausmacht und die niedrigen Blutdruck haben ab nach Flörsheim, Raunheim, Offenbach… Und die Ureinwohner? Erbarme! Die Hesse komme…

 

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