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Andy Goldsworthy: Die Schönheit vor dem Kollaps

  Das sollen tolle Bilder sein? Ich bin enttäuscht. Sind extra nach Rüsselsheim zur Austellung gefahren – Goldsworthy zum ersten Mal in Deutschland!! – und jetzt? Stehe ich vor großformatigen Fotos, die zusammengefügt wie ein Puzzle oder Mosaik einen Baumstamm zeigen, zu dessen Füßen ein kreisförmiges, schwarzes Loch gähnt. Hm. „Das ist aber kein Bild! Nur ein Beweisfoto“, würde Pat zu mir sagen, hätte ich es gemacht. Aber dann funktioniert es doch, treffen sich mit Mal Ausstellungskonzept und Landartfoto. Im nächsten Raum geht es endlich auf, das Goldsworthy-Fenster. Saugt uns in eine Welt, weit und atemlos. Berührt uns mit Bildern wie das hier: See mit filigraner Installation aus Schilf. Drumherum eine traumverlorene, unberührte urlandschaft. Oder dieses, auf dem ein spitz zulaufender grauer Stein im Morgenlicht zu sehen ist, darauf balancierend ein anderer Stein, rund, mitten auf der Spitze. Hält gerade so auf diesem Foto, man glaubt ihn taumeln zu sehen kurz bervor er ins nächste Bild fällt. Im Fallen eine Möwe, die sich fortschwingt. Auf den nächsten Bildern Kreisbögen aus Schneeplatten. Und Licht. Am Südpol. …

Filets, Marterl, Zeitensprünge

  Wie ist es eigentlich weitergegangen? „Time is a great teacher“, findet der schottische Künstler Andy Goldsworthy (gerade und zum ersten Mal in Deutschland zu sehen in den Opelvillen in Rüsselsheim) und er sagt noch was Schönes: „Wenn ich meine Arbeit beschreiben sollte, würde ich sagen… ich arbeite mit Zeit.“ Wir auch. Mit, gegen, durch? Die Zeit hatte mal ne wunderbare Serie, den Zeitsprung, im früheren Zeit-Magazin. Thema war genau dieses „Wie ist es weitergegangen?“ 1993 war ein Zeitsprung von uns. Viele Fotos waren da noch schwarz-weiß. Noch. Damals hat Pat ein 10-Years-after Foto von einem Kreuz gemacht und der Zeit-Redakteur fand es faszinierend, dass hier eine Pendelbewegung sichtbar, und eine weitere, unsichtbare womöglich schon im Anschwung war: 1982 nämlich stand dieses Kreuz vor der Kulisse der Ölraffinerie Caltex nahe Flörsheim, und damit unmittelbarer Nähe eines heiß umworbenen Geländes, dem „Filetstück der hessischen Wirtschaft“. Der Vertrag mit der Ölraffinerie endete nämlich damals, die Böden wurden regeneriert und die Nähe zu A3 und Flughafen machte das Areal hochattraktiv. 1993 sah es dann so aus wie auf …

Bleib standhaft! Stand your Ground!

Die Strickgraffiti von letztem Donnerstag war binnen eines Tages weggeschnitten. Der Platz wieder finanzklar – von den Verstrickungen von Bulle und Bär zeugen nur noch Erinnerungen und Fotos. Auch das ein Zeichen. Eines der demonstrative Missachtung der (Hand-)Arbeit. Aber jetzt vom Streetknitting zur Straßenfotografie: Das Straßenleben heute ist in Parzellen eingeteilt: Zutritt erlaubt, Zutritt verboten. Und nicht nur in Deutschland ist zunehmend mehr verboten als erlaubt. Die modern Straße ist ein Parcours von Paragrafenhaken und Gesetzesabsätzen. Am besten, man hat immer ein Paket Model Release-Formulare in der Tasche und den Rechtsanwalt dabei – polizeigerecht und securitysicher. Suche nach Sicherheit ist uns Menschen angeboren, ist jedoch schleichend zu einer Sucht nach Sicherheit mutiert. Die kurzatmig gewordene Evolution wird sicher rasch auslesen, ob wir das überleben: Viele, immer mehr Menschen scheinen sich unsicher zu fühlen, sobald sie keine Kontrolle mehr über das sie direkt umgebende Umfeld besitzen, sobald sie Haus oder Auto verlassen. Diese Angst vor Kontrollverlust findet ihren Niederschlag in Rückzug ins private Terrain, Verteidigung dieses Gebiets notfalls mit Klauen und Hundezähnen, Sicherheitsanlagen, Videoanlagen, Warnmelder aus …