Alle Artikel mit dem Schlagwort: Musik

La Guerre

„Der Anblick, den Europa heute bietet, ist sehr traurig, aber auch sehr lehrreich. Auf einer Seite ein Kommen und Gehen von Diplomaten und Höflingen, welches jedesmal, daß die Luft anfängt, nach Pulver zu riechen, augenfällig zunimmt. Man knüpft und löst Bündnisse; man schachert und verkauft das menschliche Vieh, um sich Verbündete zu sichern. „Soviel Millionen Köpfe, welche unser Herrscherhaus dem eurigen überläßt; soviel Hektar Land, um sie darauf zu weiden, diese Häfen, um ihre Wolle zu exportieren!“ Und es handelt sich darum, wer in diesem Geschäft den anderen besser betrügen kann. Das nennt man in der Sprache der Politik: ‚Diplomatie‘. Andernteils Kriegsrüstungen ohne Ende. Jeder Tag bringt uns neue Erfindungen, um unsere Nächsten besser ausrotten zu können, neue Ausgaben, neue Anleihen, neue Steuern. Patriotismus zu schreien, in Chauvinismus zu machen, den Hass zwischen den Völkern anfachen, wird in der Politik und im Journalismus zum einträglichsten Geschäft. Sogar die Kindheit wird nicht verschont; man reiht die kleinen Buben in Bataillone ein, man erzieht sie im Hass gegen den Fremden, man dressiert sie zum blinden Gehorsam jenen …

Im Frankfurter Osten, 1987

Auf die Bühne kommt der erste. Er singt. Auf die Bühne kommt der zweite und ermordet den ersten. Er singt. Auf die Bühne kommt der dritte und ermordet den zweiten der den ersten ermordet. Er singt. Auf die Bühne kommt der erste und ermordet den dritten der den ersten ermordet der ihn selbst ermordet. Er singt. Auf die Bühne kommt der zweite und ermordet den ersten der den dritten ermordet der ihn selbst ermordet der den ersten ermordet. Er singt Milan Napravnik Demo gegen den Krieg: Sonntag, 12 Uhr, Opernplatz Frankfurt

Vom Seufzen der Leerräume

  Rumms! Aua! Halb lieg ich schon, halb stemm ich gegen – dieses Scheiß Light-Metal Kellerregal. Hab ihm nie vertraut, jetzt ists mir auf den Kopf gefallen. Die alte Schreibmaschine verpasst mir einen Hakenkuss, der Entsafter poltert ab und eine klotzschwere Kiste knapp an mir vorbei. Jesses! Tage später. Das Schrottteil entsorgt, zwei neue Regale aufgebaut, machen wir da weiter, wo es mich umgehauen hat: Beim Ausmisten in der Staubachterbahn. Pat blättert durch alte Belege, Magazine wie Focus, Jazzthetik, Stern. Kann weg, bleibt, kann weg, kann weg, kann weg… Cool sehen sie aus, diese alten Jazzthetiks. Kein bisschen altbacken oder überholt. Kannweg, bleibt. Bleibt? Zeig mal. Aah, sieht aus wie schwarz/weiß. Ist schwarz/weiß. Das Bild auf der Doppelseite zeigt – so gut wie nichts. Überschrift: „Die Leerräume im offenen Herzen der Lieder“. Poetisch. Schön. Übernächste Seite wieder so ein minimalistischer Pat Meise: Himmel und Meer. Meer und Himmel. Ja. Leerräume. Damit hat Pats Lieblingsgrafiker Matthias Grunert ein Dreieinhalb-Seiten Interview bebildert, das Jazzthetik-Autor Michael Engelbrecht mit Komponist, Sänger und Schlagzeuger Robert Wyatt und Lyrikerin Alfreda Benge …