Jahr: 2017

Ausstellung: Die B-Klasse im Städel

Fesselnd, trotz des emotionslosen Blicks, dieses Bubikopfmädchen auf dem Plakat „Fotografien werden Bilder / Die Becher-Klasse“. Dem Titel entsprechend sind Hilla und Bernd Becher nicht im Fokus dieser Ausstellung. Die Grafik an der Foyerwand des modernen Städelzweigs ähnelt einem Stammbaum, zackig zur Matrix werdend: Die Bechers an der Spitze. Begründer einer Dynastie. Die abzweigenden Linien führen zu neun wohlgehabten SchülerInnen. In der Ausstellung zwar kein Wasserturm nirgends, aber dennoch frühe Becher’sche Leitplanken: Papierabzüge von Industrietoren, Fachwerkhäusern, Kohlesilos. Sehr schwarzweiß, sehr analog und auch sehr klein. Die Bilder ihrer Schüler anfangs noch ebenso analog, schwarzweiß – doch der bald kommt der erste Sprung ins Farbige und der nächste ins Digitale. Der noch gar nicht so lange her ist. Damit beginnt das Spiel mit der Wahrheit, dem Verschwinden der Doku, dem Dehnen und Größer- und Nochgrößerwerden. Viel Langweiliges dabei, unter diesen berühmten Fotografien, die „international prägend“ waren, wie Kuratorin Jana Bergmann emotionslos vermerkt. Ein Großteil wirkt enttäuschend flach. Ob klein oder groß, schwarzweiß oder bunt spiegeln die meisten – über die Vorsätzlichkeit hinaus und in einfache Bildsprache …

Ferienlesestoff: Eddi Error von Anne Böhme

Die erste Buchkritik war vernichtend: „Das muss alles neu geschrieben werden, man versteht ja gar nichts.“ Und ja, tatsächlich müsste das Buch komplett überarbeitet werden, richtete es sich an Kinder wie den vierjährigen Neffen der Autorin, dem daraus vorgelesen wurde. Ja, eine Insiderinfo – und ja, ich gestehe, ich bin befangen: die Autorin ist mir nicht fremd. Habs mir trotzdem vorgenommen. Was ich bei Verrissgefahr bei Freunden wie Kunden eher umgehe. Doch, auch wenn Kritiker natürlich alles anders machen würden, und ich manchmal ganz gerne was verreiße, hier wars nicht nötig. Dazu (wieder mal) mein Lieblingszitat vom Godfather of Buchkritik Reich-Ranicki: „Liebe und Tod, alles andere ist Mumpitz!” Hier geht es eindeutig um Liebe. Zum Leben, den Kindern, der Familie – der Tod (der Robotertod) wird indes nur kurz gestreift. Geschrieben wurde der Kinderroman für ab Sechsjährige, doch auch für ab 30-Jährige ist er gerade richtig dick, kuddelmuddelig und fesselnd. Für Leseanfänger gibt es durchaus Herausforderungen. Das Schlangenwort Aufräumroboter etwa ist zu bewältigen. Mit zunehmendem Geschichtsfaden wird das immer leichter fallen, denn es geht um …

Fotografie als Waffe? Neues Canon-Makro im Test

Im Test: Canon EF-S 35mm f2,8 Makro – featuring Roland Günter und Andreas Feininger Dem überraschten Fotohändler diktierte Pat eine Objektivbestellung. “Gibts doch noch gar nicht”, wandte der ein. Egal, bitte vorbestellen, insistierte Pat – damit wir dann auch wirklich eins kriegen. Brandneu! Einige Wochen vorher fiel mein Blick eher zufällig auf einige uralte Bücher, schon so lange im Regal, dass man sie gar nicht mehr sieht. “Die neue Fotolehre” von Andreas Feininger – Pat packte sich ein zweites obendrauf: “Fotografie als Waffe” von Roland Günter. Staubalt. Hier Pats Lese-Funde und Makro-Befunde: Andreas Feininger: Schöpferische Fotografen sind Künstler im wahrem Sinne des Wortes. … Sie bilden die Avantgarde der Fotografie. Sie sind gewöhnlich zäh, hartnäckig und eigensinnig. Ihre Arbeit ist stets anregend, oft zum Widerspruch reizend und für Leute mit konservativen Einstellungen gelegentlich schockierend. Sie folgen keinen “Regeln” und respektieren keine “Tabus”. (1)   Die Optik ist klein, leicht, handlich und gut verarbeitet. Es gibt ein cooles LED Hilfslicht in zwei Helligkeitsstufen und einen Bildstabilisator. Der Preis liegt bei 430 Euro. Roland Günter: Gerade Arbeiter …

Fotofestival Wiesbaden 2017: mit unserer Serie Dementia Road

  Acht Bilder für acht Buchstaben: DEMENTIA – damit sind wir eine Facette von Insight, dem Grundthema der Wiesbadener Fototage 2017. Gestern abend die Email: „Wir freuen uns Ihnen mitzuteilen…“ Und wie! Wir uns freuen! Insight – Einblick nehmen, gewähren, aufzeichnen. Das war Ziel unserer Serie Dementia Road. Einen Zustand in Bilder fassen, der uns immer wieder an den Rand von Wahrnehmungskraft und Fassung bringt, und dennoch ausgehalten werden muss. Seit einigen Jahren leidet meine Schwiegermutter unter Demenz. Sie sagt: „Es ist, als wäre da ein Schwamm vor meinem Gesicht“. Wir wohnen drei Autostunden entfernt – wenn wir zu ihr fahren, wird die A3 zur Dementia Road. Dieses Mitfühlen ist beklemmend: Wie mag es sich anfühlen, nicht mehr zu wissen, wer man ist und wo. An einem ihrer letzten Geburtstage verwandelten sich die an unserem Auto vorbeiziehenden Schemen auf mystische Weise in Repräsentanzen ihrer schwindenden Erinnerung. Der Schwamm saugt alles auf. Die Nebelkälte draußen entsprach unserer inneren Beklemmung. Wie sie sich verzweifelt mühte, die Teile zusammenzusetzen. Je mehr, desto vergeblicher. Furchtbare Denkschleifen, in denen sie …

Bild des Monats: März 2017

  Kant auf Kante Trotz gebrochner Beine, der Glastisch spiegelt noch immer was heute und morgen blüht Von gestern gleichwohl weht kühler Atem aus einer mundgeblasenen Zeit. Auf der Fensterbank zwei modrige Kugeln Wie sie einst glänzten, die Perlen eingeschlossner Luft, Ein Atmen Aus Atmen Als könne man das Leben anhalten Als könnten wir anders als weiter und weiter gehn Aber hoffen, wir hoffen doch Hoffen gesehen zu werden, eine Hand zu spüren Als gäbe es kein Ende und doch sind die Züge, die Lebenszüge gezählt. Am Ende befreit vom Festhalten der Dinge, vom Verlust der Ordnung Einatmen, ausatmen Hervor kam das Kind, den Teddybären im Arm die Kinderseele, offenen Munds. Sein Lächeln, eine feste Fadenlinie der Zuversicht. Tröstung aller pflegenden Hände Spürfaden zu deinem Mann Wir hielten Blumen und hielten den Glasatem der Zeit Deiner Zeit, der unseren sich mehr denn je entfernend Sahen dich, auch dich in den Ahnenkronen den Weg suchen. Mit den Erinnerungen ziehen, deine Finger zum Abschied berührend Das Verschwinden der Welt Auf deinem letzten Laken zarte Blüten Draußen der …