Auszeit poliert Kontraste. Oder vielleicht ist man einfach nur beim Neustart, sogar nach einem Kurzurlaub, blitzmedienblank. Um so heftiger pulsen am Tag eins die kabellosen Freunde: #geheimnis, #ausnahmslos und #rigaer94. Muss man erstmal kapieren. Während die Speicherkarte Double Exes, Dohlen und Dünen einspeist, während Tweets und fb-Posts auflaufen, die „Ich weiß was!“ zwitschern, „Hier bin Ich!“ oder „Kauf mein XY (Text/Bild/Buch sowas), also während all das piept und brummt und lädt, bleibt es auf der Strecke. Fällt es, das big picture. Die Vision, was mal bleiben soll und was man hinterlassen, besser: mitgestalten möchte. Mankell ruft uns das nach, (Niels) Quaquebeke vor – nur, die Mehrheit möchte nicht. Will nur spielen und „Ich bin dran“ rufen.
Und natürlich Tipps verkaufen, wie man das Spiel am Laufen hält. Hinkriegt, nein, optimiert, sodass so viele wie möglich sich den eigenen Auftritt angucken, liken und reliken. Scheine und Likes (schein breit like Deimonds, deidelt das Autoradio nach der Grenze, bevor ich auschalte). Optimierung. Auf dass alles satt und sauber wird. Gibs durchdachte Strategien und Workshops für. Mit Neurohintergrund. Denn die Hirnforschung hat festgestellt, dass Mozart, Geigen, und die Farbe Rot universelle Aufmerksamkeitshammer sind. Dass der gemeine Mensch sich drei, fünf, sechs (uiuiui), sieben oder Doppelsex, also ein Dutzend, Tipps am besten merken kann. Weshalb Checklisten, Tipps oder Ratschläge mit 3, 5, 6 oder 7 Punkten, Spiegelstrichen oder fetten Markern am einträglichsten seien, und Teaser mit Reizwäscheworten á la Sex-Skandal, Geheimnis, Diät oder Mör-der-blut am grabschigsten teasen. Nach dem Urlaub fällt mir das wieder besonders auf. Erinnert mich an vorappiale Zeiten. Oder an Wettbewerbe der taz-Wahrheit. Wer mitmachte, war gefordert extrem bekloppte Worte in einem Text unterbringen – und wer krass gut darin war, dem winkte eine Flasche Cognac. Hieß es. Den hat die Wahrheit sicher selbst gesoffen, @besserdeniz großgezogen und an die Welt weitergereicht.
Auszeit also. Reduzierend wie gute Küche. Gut. Aber nur relativ gut, wenn es demente Verwandte gibt. Dann ist ansprechbar sein ein Muss. Kontakt. Halten. Sogar aus Vietnam wird 2x am Tag dorthin telefoniert. Nur um zu hören: Wer bin ich? Wo muss ich zum Essen hin? Was soll ich bloß machen? Kriegt man Angst vor der Zukunft – und Party und Kaffeeklatsch (twitter und fb) gerinnen zum hypersurrealen Quark. Wer berichtet eigentlich davon? Gibt Platz dafür? Redefreiheit? Wo nicht mal #Pflegenot genügend diskutiert wird.
Eine Woche lang nur die SpOn-App: Wohnung des Paris-Attentäters gefunden. Polen bestellt den deutschen Botschafter ein. Die “Ereignisse“ von Köln. Spuckt Botschaften, die wie surreal vorbeidriften. Weil man eigentlich nur die Kanäle leeren und allerhöchstens die allerwichtigsten Neuigkeiten will, um den Tagesplan auszurichten. Also: Wie wird das Wetter?
Zurück in die Zukunft katapultiert hat mich aber nicht die Ankunft in der Medienheimat, sondern „Radio Veronika“. Hätte nie gedacht, dass sich der Moderator des nordholländischen Senders genauso anhören könnte wie Schwester Marion oder Onkel Lars von HR1. Echt jetzt. Sogar die Werbung wie geklont. Dass man nicht alles, versteht ist ja normal. Ist man also doch und echt Europäerin?! Super! Medienoptimierung ohne Grenzen. Nur, die Veronika-Musik war besser. Aber da hatten wir eh keine Not, waren blauzähnig verkoppelt.
Dank App, Demenz und Wifi, blieb uns das Grundrauschen. Die mediale Nabelschnur, die nie abfällt. Zuhause aber, in der Brandung, wird grundoptimiert: Ich lösche die Freundschaftsanfragen derer, die ich nicht kenne und entfreunde mich von denen, die nie reagieren. Mit denen mich nichts verbindet. Nicht mal Demenz.