Bücher
Kommentare 2

Lesestoff: Dann press doch selba…

Apfelgrün und pink rutschte mir diese unvermutete Buchsendung in die Hand: „Dann press doch selber Frau Dokta!” Geschrieben von der “furchtlosen Frauenärztin” Dr. Josephine Chaos. Natürlich dachte ich sofort an die „unerschrockene Lehrerin“ Frau Freitag. “Chill mal Frau Freitag” habe ich an einem Stück gelesen. Schon bevor es rauskam fand ich den Titel so witzig, dass ich es unbedingt haben wollte – aber dies hier? Hm. Kein Cover für mich. Gekauft hätte ich das nie (apfelgrün und pink, sechsarmiger Ärztewitz – Brr). Rezensieren wollte ich es auch nicht, denn: beim xten „Ächt jetzt“ oder „Nee, ist klar“ auf den ersten Seiten hatte ich schon fertig. Doch dann war da eines Abends die Wahl zwischen ABC (Arbeiten, Besaufen, Computerspielen). Ich wählte D wie Dr. Chaos – und lachte Tränen.

Über Schwester Notfall, Fancy Nancy die so metzelgeile wie arrogante Chirurgin und Dr. Sandmann, den guten Anästhesisten, den nur eine 2020-prozentige Ärztin so aus dem Takt bringen kann, dass er brüllt. Dr. Chaos beschreibt cool und mit verdammt viel Drive absurde bis melodramatische Klinikalltage. Wie sturzbiedere Frauen schreien: “Press doch selber! Kaiserschnitt sofort!” – Schuhe werfen und wüst fluchen, sobald sie Ärzten und Schmerzen ausgeliefert sind. Oder eben wie jene 2020-prozentige Ärztin – Bambi oder Rehlein genannt, weil sie nicht nur alles richtig machen, sondern auch von allen geliebt werden will – vom gutmütigen Sandmann zur Minna gemacht wird, während vor der Tür eine ganze Mannschaft horcht, die ihm dann prompt vor die Füße purzelt, als der abrupt die Nase voll hat. Kollegenbeobachtung vom Feinsten und zwar „aus einem mittelgroßen Krankenhaus irgendwo in Deutschland am Stadtrand“.

Sie nimmt alle auf die Schippe, auch sich selbst. Lässt kein gutes Haar an Patientinnen, die hysterisch sind, hypochondrisch, oder denen nachts um zehn einfällt, sie hätten so ein „Ziehen in der Scheide“… Schwestern, Ärzte und deren Seilschaften werden mit dem Zungenskalpell fein säuberlich in Scheibchen geschnitten und mit Rache, kalt und anonym serviert. Da braucht man ein Pseudonym, schon klar, auch wenn man zumindest einen Teil seiner Kollegen liebt. Dass das aber alles „frei erfunden ist“ muss frei erfunden sein. Das zeigen nicht zuletzt die Kommentare auf ihrem Blog.

Eine Ärztin, die derart komisch aus dem Schwesternzinmmer plaudert, ist verdammt erfrischend. Aber auch gruselig. Vor allem, wo sie recht eingängig eine Methode beschreibt, wie Ärzte aller Art Patienten loswerden. Patienten, bei denen sie nicht klar kommen, die nichts einbringen, oder auf die sie keine Lust haben. Schon mal Stunden in einem Krankenhaus verbracht? Surf und Turf – nennt Frau Dokta diese Methode. Ihr Snickers- und Kaffeebedarf wächst in solchen Augenblicken so stark wie der Wunsch, in Tischkanten zu beißen oder den Kopf an die Wand zu schlagen. Lesbar und lachfest bleibt das alles aber nur, weil sie ihren Beruf liebt – ebenso übrigens wie Frau Freitag (bei der übrigens auch am Anfang ein Blog stand: dieses hier). Humor ist da nicht nur Salz im Alltag, sondern das Mittel, das jeden lauteren Arbeitsmenschen durch all jene unregelbaren, verdammt menschlichen Erlebnisse trägt.

Am schönsten aber die Geburtszenen. Da offenbart sich die echte Ärztin hinter dem Alter Ego, da lehrt sie uns die Basics: wie vielfältig und stark das Leben ist und dass jeder Frau ein Wesen innewohnt, dass sich dann, und nur dann zeigt. Jepp. (Werden alle Eltern bestätigen). Dramaturgisch geschickt gipfelt das Buch in einer Mega-Nonstop-Geburtsshow, ganz großes Hebammentennis sozusagen, und life aus allen vier Kreißsälen gleichzeitig. Dieser Nachtschicht-Morgen endet mit der fünften und letzten Geburt: Frau Chaos bekommt ein Baby.

Später realisiere ich: das war das Buch! Stupid. Hier geht’s zu ihrem Blog und dieses Post (Verückt ist relativ) liefert den Chaos-Doppelpack Wissen und Komik. Hab ich’s schon gesagt? Abstriche geschenkt, Lesen lohnt! Vor allem Ärztinnen als Aggressions-Auslauf empfohlen.

 


Dann press doch selber, Frau Dokta!
Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin
Fischer Verlag, Frankfurt 2013


 

2 Kommentare

  1. Liebe Sylvia,

    Von allen bisher gelesenen Rezensionen gefiel mir diese am besten. Weil sie so ehrlich begann mit “Rezensieren wollte ich es auch nicht….!”
    Danke, dass Du es doch getan hast – und für die schönen UND ehrlichen Worte zu meinem apfelgrünen Buch.

    Liebe Grüße aus dem Chaos
    die Josephine

    …und: Nein! Snickers sponsert mich leider noch nicht. Vielleicht sollte ich denen einfach mal mein Buch vorbei schicken…?!

    • Liebe Josephine,
      ja, unbedingt Bücher dorthin schicken, sollte ich Provision nehmen? Ach, stell lieber einfach diese Anzeigen ein (Abnehmen.. ganz schlimm!)
      Schöne Grüße von Stadtrand zu Stadtrand ;-)
      Sylvia

Schreibe einen Kommentar