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KiR fifteen – Kunstwettbewerb Spuren

Na klar wollte ich da mitmachen: Das Thema des wahrscheinlich letzten Kunst-Wettbewerbs in Rödermark lautete Spuren! Dachte natürlich sofort an Tierspuren. Und Pat an ein Bild (nicht nur ein „Beweisfoto“!). So ist das Bild „Crossroad entstanden:

Sehe ich Tierspuren, geht mir das Herz auf. Jede voller Leben, auch wenn der Verursacher nicht mehr zu sehen ist. Jede eine Geschichte, die gelesen werden kann. Besonders finde ich immer, wenn sich Trittspuren von verschiedenen Tierarten kreuzen, wie auf dem eingereichten Bild. Als spüre man noch deren Präsenz, obwohl sie nicht mehr da sind. Mit ihren Fußabdrücken hinterlassen sie eine Visitenkarte, die Essenz ihres Wesens. Das wollte ich dem Spuren-Bild mitgeben. Es sollte geerdet sein im Wortsinn. Schon lange hatte ich vor, aus Erde Farbe zu machen. Seit drei Jahren sitzt in meinem Experimentier-Schrank eine Schachtel mit Erde – und wartet auf ihren Einsatz. Gesammelt an meinem Lieblingsplatz im Stadtwald. Ich wusste noch vage, dass man Kleister braucht, um Farbe aus Erde zu machen. Hatte ich damals auch schon gekauft, aber wieder vergessen. Ich durchforstete das Internet und fand als Schnelleinstieg eine einfache Methode mit Roggenmehl und Quark. Ausprobiert und auf einem Ausdruck getestet. Es rieselte ein wenig, aber prinzipiell sah das gut aus.


Die Farbe meines Lieblingsplatzes Försterwiese ist Gelbbraun. Doch das Bild hatte ich am Kinzigufer aufgenommen – die Spuren von Fuchs, Ratten und Gebirgsstelze waren im angeschwemmten Fluss-Sediment abgedruckt gewesen. Ich fuhr nochmal hin, füllte einen Beutel mit Erde – und der Zauber begann. Ich schaute mir Video-Tutorials zur Herstellung von Pigmenten an, kaufte das Buch “Werkstatt Pflanzenfarben” von Helena Arendt. Schließlich stand das Konzept: Bisschen Gelb wollte ich haben, Orange, Blau, Rot und verschiedene Brauntöne. Die Erden sammelte ich in der Umgebung, denn Tiere kommen ja durchaus rum, Flechten gibt es überall, und da Füchse wie Ratten auch Beeren fressen, kamen auch die in Betracht. Ich verwandelte unsere Küche in ein Farblabor. Rührte in  Gläsern und Töpfen, bis Lauge und Base einander anschäumten und sich in Farbwolken wandelten. Hin und wieder stank es abscheußlich – ein Abenteuer. Die magischen Flüssigkeiten filterte ich, trocknete sie, kratzte sie in Gläser und verrieb sie später mit Bindemittel zu Farbe (Jyotsna hier mein Dank!! für Inspiration und Anleitung). Mörsern. Verreiben. Staunen. Neun Farbtöne leuchteten den Weg zu „Crossroad“.

Jetzt war alles da: Das Bild – bloß nicht zu klein! Hatte Pat gesagt -, 60×90 cm groß und schwarz-weiß, gedruckt auf Büttenpapier. Die angerührten Farben, getrocknet in Muschelschalen… Los gings: Granatapfelgelb und Lehmkautorange ordneten sich wie von selbst dem Fuchstrab zu – das Luderbach-Rot den Rattenfüßen im Sprung und das Ligusterblau den zarten Zehenzeichen der Gebirgsstelze. Flechtenrosa gebührte dem Wurm, flankiert von zartgelb und blau. Nie habe ich mich länger mit Tierspuren beschäftigt. Nie waren sie mir so nah.

Dann die Ausstellung. Das Licht suboptimal für alle. Die Bilder mussten für sich selbst strahlen. Uns gleich auffallend: Karin Kücks Erinnerungen, vielschichtig, blau, rot und weiß. Christa Steinmetz‘ faszinierendes Werk über verlorene Orte, präsentiert in recycelten Teefiltern, und das Erbe des Vaters vom Sohn Thomas Ruhl vorgestellt, in dessen Leben der im Krieg traumatisierte Spuren hinterlassen hatte. Wie er dort stand und erzählte, war es ein bisschen wie fifteen in Kassel: Der Versuch, gemeinsam die Spuren der Anwesenheit in der Abwesenheit zu suchen und das Leben zu verstehen.



Ich hielt Ausschau – das Gefühl kenne ich von Schömberg, den Wiesbadener Fototagen, aber auch von der Rödermärker Kulturhalle: Wie reagieren die Leute? Was zieht sie an? Was sagen sie? Die Farben kamen kaum zur Geltung, doch wer sich mit unserer Crossroad beschäftigte, konnte alles sehen. Am Tag der Preisverleihung ging ich als Zebra – und hätte fast die Ansage verpasst, während ich mir ein Spurenbild erzählen ließ. Die Leute klatschten Beifall für den zweiten Preis, Karin Kücks Erinnerungen! Uh, schnell hin, um dann zu hören: „…meise&meise den ersten Preis für Crossroad.“ Tschacka! Danach noch der erste Preis für den Bereich Skulptur – für Christa Steinmetz‘ Verlorene Orte. Drei Frauen, drei verschiedene Weisen, Ausdruck zu finden und Dinge zu zeigen. Ich bin dankbar: Der Jury fürs genaue Hinschauen und ihren Sinn für Vielfalt. Dem KiR-Team für das Thema, das mich auf neue Wege geschickt hat, mich wieder neue Aspekte der Natur hat lernen und entdecken lassen, den zarten Farbrausch von Lehm und Liguster. Fast sechzig Bilder waren im Rennen und viele Menschen miteinander im Gespräch. Wer wollte, konnte viele Spurengeschichten entdecken. Eine Ausstellung mit Lokalkolorit, so wichtig wie ein Lokalblatt – und wie diese oft so geringgeschätzt.


 
 
 

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