Alle Artikel mit dem Schlagwort: Lyrik

Süßes Gift ohne Grenzen

See English version below Verbote, Schießereien, Blut… Als ich den Raum betrat war Stille und Aufmerksamkeit. Eine Frau türmte die Ungerechtigkeiten der Welt in Worten auf und riss diese Babeltürme auch wieder mit Worten in Stücke. Las ein kraftvolles Plädoyer für Freiheit und Frieden. Die stolze Exil-Chilenin und Poetin Silvia Cuevas Morales ließ das Blatt sinken – und die Zuhörer klatschten. Ich saß zwar mittendrin, doch ich war zu spät gekommen. Mein Navi hatte das Schillerhaus nicht gekannt, den Tagungsort des 1. Poesie-Festivals in Rödermark. Knapp zwei Dutzend Dichter um mich herum. Ich gehörte dazu, war aber noch nicht im Bild. Was war das hier, ein Manifest? Ich wusste, dass eine Vorstellungsrunde vorgesehen war. Gut, ich war eine Viertelstunde zu spät, aber sie konnten doch nicht schon alle vorgestellt sein, und gemeinsam ein Papier erarbeitet haben? Der Organisator und Initiator Peter Völker rief den Nächsten nach vorne: Julio Pavaretti. Der lächelte in die Runde und begann sein Gedicht „The naked city“ zu lesen. Was für ein wunderbarer Titel. Danach Annabel Villar mit „Für sie ist …

KiR: The only Limit is the Sky

Unser Beitrag zur Ausstellung Gedankenwelten bei KiR (Kunst in Rödermark) am 17. und 18. Oktober: Limit Rahmen, Gedanken, Segel setzen Strukturen gegen den Tanker Befindlichkeit Ruhe im Hirnspiel Synapsenspizzen von Lichtblitzen. Und: Fokus. Fokus. Fokus. nur nicht denken. Nicht. Aber, paragleiten in die Parawelt des DoubleSeins der Dinge n’oublies jamais existiert alles auch ohne dich. Und: Leben. Leben. Leben! In mir, Mond, weil ich schaure, schaukle, aufschau zu den Flirrlichtern der Wimperbogenlampen Drum herum Photonenschwärme laichend, leuchtstäubend Stratoduster! Viel mir, gespiel mir, geh nicht – mind the Gap die Räume, Träume zwischen den Menschenräumen die Zwischenmenschenräume Freiheit 38. 38? Ja. Frei sein Nicht wirklich viele Menschen wollen das. Wer gibt? Spielräume, Kinderträume… Worte und Bilder in uns Strukturen, Spuren. Lass dich leiten Lass. Finde die Feder. Die von den Schwingen der Kinderbänder gestreift, getönt, geschlagen Vogelander Flügelum. Im Dämmern des Lichts der Tag Der Himmel, the only Limit rutscht in die Nacht die Krähe, mein Ichkind die Krähe, sie wacht.      

Dementia Road

  Sprünge in der der Haut: Wo bin ich? Zuhause, Mutter. Hier? Nein! Warum habt ihr mich weggeschickt? Schwamm im Ohr, fernmündlich ausgesogen Wann kommt ihr? Jetzt. fahrn, fahrn, fahrn – hin-wo die Alten sind unterwegs so viele Niemands Warnplakate und Baken 100, 120 und Stau Wann? Warten Warten. Blakes Rapid Ukraine.. ich lege, setze, ordne ich sammle: Solidaris, Wir fahren Ihr Gut, Blumen – von Tyfoon? und Ultras heimische Früchte   Schön dass ihr da seid! Der Kühlschrank? Weiß nicht Kaffee geht noch, bis Kuchen und früher – aber dann der Zweistundensprung. Da ist ein Schwamm vor meinem Gesicht. Wo ist mein Schlüssel? Ich kann nicht mehr! Angst frisst Herz Mein Schlüssel! Geklaut? mein Geld! Mein Wo-Ich im Schwamm Wir finden nichts back on the road: The good will out Gefangen in der Transzone fahrn wir, fahrn, fahrn neben uns Sportpferde die Buswand träumt Bügellaternen, wie schön Wahrschauwem Nomen est Omen und Zeichen: POKAL + Puton, OKTAN und Serum BOSCH! (mein Favorit) Im Diez-Loop überholt Cyrill Zuber Gartner rastet Unicorn ist fort. Bleibt: das …

Stadtgedicht: Aussicht

Zur Feier des Tages (12.3., an dem der erste Lyriker den Leipziger Buchpreis gewann..): Hach Lyrik. Analoges twitter.   Aussicht Balkons gegenüber Kinder spielend Sonne im Nebel – Reflexe bizarrer Schönheit des Balkons gegenüber Mosaike der Lebenswahl, je tiefer desto besser der Blick über die Brüstung des Balkons gegenüber eindringend in fremdes Leben, fremde Horizonte der Brüstung des Balkons gegenüber solange Gott dieses Detail nicht im Griff hat, sagt W. hab ich nichts mit ihm zu tun Von der Brüstung des Balkons gegenüber springt ein Mädchen.    

Urban Poetry: Uns

  Uns Die Frühe. Die Straße. Nur uns. Der Nachbarin, die zur Schicht eilt, der Schlaflosen, dem Zeitungsmann, vermummten Radlern, Bauarbeitern – uns. Die Bahnen ihr, der dicken Schwimmerin. Die im allmorgendlichen Ritualbad sich treiben lässt. Ihr Glück für eine Viertelstunde la Reine, la Delphine! Nur Sie. Textor zum Tag. Leicht, unbeglotzt, frei. Die Fenster. Im Atem der Fremden. Himmel löst Welt. Löscht Nacht. Im Nebel dunkler denn je. Die Straße der Frühe. Uns      

Urban Landscapes: Fünf

  Fünf Gott was für ein Licht! Leitfeuer. Leuchtspur. Gepunktet. O Glück! Die Kreuzung so still so tief – nebelzart im Eishauch 2 Stunden noch dann wieder Stoß und Stoß Rot und Rot. Warten. Warten. Warten. Minority Report War da was? Gestern? Nacht im Kopf – Coffee to go Voll heiß. Voll kalt – Slow-Mo Warte. Noch ist Zeit. Vereist die Bühne. Traumkalt, leer zerwischt Orangnes Leuchten Urban stills Memes all over Guck. Die im Fenster wie aufgezogen Steht. Kaffee. Schicht Dreht im eignen Rhythmus, wie nie von dieser Welt. Sortiert, ordnet, häuft Brezel und Brötlich ne andre matscht im Nudelsalat schabt, formt, pampt so fort 2 Brücken weiter Schlag auf Schlag. Ein Riese Boden bebt Metall blaut rammt – tief ins Stadtherz – rafft Main-Erde rasselt, rummst, rockt schlägt ab häuft das Gebrock, dampft und schnauft neongelb die Arbeiter kurz angezuckt vom Blau der Retter …vorbei… Mögen ihre Hände ruhig sein  

Fotolyrics: Galaxity

  Galaxity Endlich! Meine Silbermöwen Niederhimmel voraus, truppweis, augüber immer hoch über der struppigen Mähne segelnd Hier! Landpferds, Sandpferds Grenzband borderline Abseits home mit neuen Silberschuh‘n, am Abgrund einer rechts, einer links, einer gefallen Ach! Zwei gerettet im Zelthaus und da: leben! Im Schaukasten Wie sich‘s gehört   Vorn das Meer und 30 drinnen Setzfach chillen Eier legen, weiß und türkis draußen Spatzen befreien das rosa Geranium von Läusen dazwischen die Alben der Vormieter Sag! was du willst ich sammle Leuchttürme Bild um Bild in Tüten lausch auf Knien paarweis, vielleicht sogar verliebt im Wispern der Schmetterlinge.      

Fotolyric: Red&Blue

  Red&Blue Die sieben Himmel der See und die sieben des Lands Blau und Blau und Rot und Gelb. Das Leben streifen mit Strandsohlen, Moosgummiballen, Regenlidern mit Mal so hungrig so riesig, Großmutter wo ist dein Mohn? Wo deine Erinnerungen? Die unbeschwerten Rufe, Küsse, die Lichterketten des Abends Neuheit, Neugier wo? Tour de Force durch all die Jahre alle Windungen Gleichnisse als Marker gegen Schwenksicht Und wir sehen, fühlen unter der weißen Wüste das Bersten, die Katastrophe. Ein Nachglühen wie zerrauschte Träume. Schwelt es noch? Alles fort, Bäume, Büsche… Wie die Vögel flohen! Hier war es! Hier wütete die Blume des Feuers – und für diesmal die Retter eilten nicht in die schäumende See Wie surreal die weißen Wolken! Wie froh! Wir finden die Pfade, wir baden die Sohlen In blauem Ruß Und, wie alle, folgen dem Leuchten, ziehen den achten Himmel Nacht     Die „Blume des Feuers“ ist ein Gedankensprung zu Cees Nooteboom

Das Gedicht: Weiß

Weiß dein Kleid war weiß den ganzen Sommer lang ein Kinderkuss, ein Flirrflug, ein Blinzeln im Luftzug im Sternnebel der Pollenlust. Um ist das Spieljahr, gefaltet das Kleid, Unschuld zerfressen, Glieder bloß. Noch wehen zwischen Blauflügel und Rotschnute Wege aus Himmelerde einbahnig das Unterkleid aus Luftkammern rippt im Lichtflug das Gestern Bruch auf Bruch. Morgen, singt Wader, Morgen, wenn alle Träume geträumt, werde er wissen woher das Gift in seinen Adern. Sich bauschend derweil das Kleid des Todes im Staub der Tage verweht, verschossen: das Tanzkleid des Sommers.

Poetry meets Gier, Maß, Alltag

„Today was national Poetry Day, what is your favourite Poem?“ Nationaler Gedichttag – welches ist euer Lieblingsgedicht? Fragte eine Freundin am 4. Oktober auf fb. Gedichttag? Was? Wann? Natürlich das „national“ übersehen. Sonst hätt ich zur Feier des Tags eines online gestellt… Ja, das hätte ich, obschon mich eigentlich genau diese kleinkarierte Unsitte abstößt, Themen nur dann wichtig zu finden, wenn es einen „Aufhänger“ dafür gibt. Wahrscheinlich haben redundante Redakteure oder joblose Journalisten selbst diese Hakentage erfunden. Wirklich gute Geschichten brauchen das nicht, berühren immer. Aber warum lassen sich heute nur noch so wenige von Gedichten berühren? Auf der deutschen Plattform Lyrikline erklären die Macher unter FAQ, weshalb sie keine Manuskripteinreichungen oder Tipps brauchen: „Es gibt viel mehr Leute, die Gedichte schreiben, als Leute, die Gedichte lesen.“ Ist vielleicht das der poetische Stolperstein? Der große Filmemacher Akiro Kurosawa vermerkte in seiner Autobiographie, um gute Drehbücher zu schreiben müsse man: Lesen, lesen, lesen! Got it? Zafer Şenocak wiederum nennt Gedichteschreiben Auszeit nehmen. Auszeit vom eventgetakteten Trubel des journalistischen Schreibens. Ein Innehalten, zu Atem, zu frischem Denken …