Alle Artikel in: Bücher

Buchkritik: Gefühle machen Geschichte

Wie kollektiver Hass wächst Mit Gefühlen den Nationalsozialismus oder den Israel-Palästina-Konflikt erklären? Der Ansatz von Luc Ciompi und Elke Endert, geschichtliche Ereignisse mit kollektiven Stimmungen zu verknüpfen ist ungewöhnlich und der im Titel angekündigte Brückenschlag „von Hitler bis Obama“ mutet fast wie ein populistischer Verkaufstrick an – doch die Autoren untermauern diesen Bogen ohne jede Effekthascherei. Im Gegenteil. Selten wurde Hitlers Erfolg bei den Deutschen, der tragische Israel-Palästina-Konflikt oder die Kulturkluft zwischen Islam und dem Westen so nachvollziehbar erklärt. Basis des Buchs ist die „Affektlogik“, die Luc Ciompi 1982 begründete und kurz gefasst besagt, dass kein Denken ohne Einfluss von Gefühlen stattfindet, kein Fühlen wiederum ohne theoretischen Hintergrund. Neu daran ist der kollektive Aspekt. Ungewohnt ist die Gefühlsperspektive in diesem Zusammenhang vor allem deshalb, weil Historiker, Politikwissenschaftler, Soziologen und Psychologen selten zusammenarbeiten. Ciompi und Enderts Ziel ist es, Erkenntnisse aus diesen Disziplinen zu verknüpfen. Grundthese: Emotionen sind verkannte Energiepotenziale und treiben als mehr oder weniger bewusste Motoren alle psychosozialen Ereignisse an. Die Kurzformel: Sympathie vermag das kollektive Denken zu beflügeln, Hass schaltet es aus. Der …

Buchkritik: Wild, wertvoll – Wald

Wie fängt und lenkt man das Interesse auf den Wald? Wie bringt man Menschen von Vorstellungen ab wie, „Wächst der nicht von selbst?“ oder „Ach, der ist doch eh kaputt.“ Wie bringt man sie stattdessen dahin, zu sagen „Wald muss sein“? Das Buch „Europas wilde Wälder“, im Auftrag von Greenpeace entstanden, ist ein Waldliebhaber-Augenfängerbuch. Ein Bildplädoyer pro Wald. Vor 30 Jahren setzten Umweltschützer auf Mahnung. Brachten Schilderungen und Fotos möglicher, möglichst schlimmer Konsequenzen, um Leute aufzurütteln. Waldromantik ist etwas genauso Urdeutsches wie Waldsterben – ein manisch-depressiver Umgang mit diesem Lebensraum. Vielleicht setzen deswegen neue Bücher wie das von Mauthe und Hennigsen oder Filme wie Deep Blue, die sich für die Natur einsetzen, auf das Antippen der Sinne. Nicht auf Botschaften oder Belehrung, sondern auf schöne Bilder. Zweieinhalb Jahre lang bereiste Fotograf Markus Mauthe, mit dem beneidenswerten Auftrag von Greenpeace in der Tasche, fünfzehn europäische Länder. Von den nördlichen LÄndern wie Schweden, und Norwegen üb die östlichen wie Polen und russland durch mitteleuropäische Waldgebiete in Belgien, Deutschland oder der Schweiz rüber in östliche Forste von Rumänien …

Buchkritik: Richard Louv: Das letzte Kind im Wald?

Der Autor schreibt, dass Kinder heute immer weniger Naturerfahrungen machen und stellt Studien vor, die davon zeugen, dass aber die Fähigkeit zur Konzentration und Entspannung und die Kreativität direkt mit intensiven Natur-Begegnungen zusammenhängen… Er hört Kindern genau zu und stellt anregende Zusammenhänge her. Ein lesenswertes Buch. (mehr dazu hier) Minuspunkt – das ganze Buch ist in grün getaucht, grüne Buchstaben, grüne Bildchen von Gras und Kinderchen um die Seitenzahlen herum. Dieser grüne Overkill im Kinderbuchstil könnte beim ernsthaften Publikum den Neugierfaktor schmälern, das wäre schade. Beltz Verlag, Weinheim 2011, 358 S. 19,95 Euro

Draußensein beruhigt – Richard Louvs Plädoyer gegen eine „Nature deficit disorder“

Im Wald spazieren gehen? Nein danke. Vielen ist das offenbar zu langweilig. „Immer nur die Wege rauf und runter“, mault der Mann einer Frankfurter Hundebesitzerin und lehnt das Gassigehen dort rundweg ab. Je jünger der Mensch, desto langweiliger – keine action weit und breit. Außerdem: war man auch schon mal da, und Wald hat man ja auch schon im Fernsehen gesehen… In seinem Buch „Das letzte Kind im Wald?“ zitiert Richard Louv aus Interviews mit Kindern und Jugendlichen, die er nach ihrer Beziehung zur Natur gefragt hat, und ob sie gern draußen spielen. Es sind verblüffende Aussagen darunter, die die Erfahrungen vieler Eltern und Kinder auch in Deutschland bestätigen. Darüber hinaus zeigen sie, wie erschreckend groß die Distanz der Kinder zur Natur geworden ist. Louv beobachtet seit fünfzehn Jahren die schleichende aber grundlegende Veränderung von Kindheit in den USA. „Wir Babyboomer“ (geboren zwischen 1946 und 1965) werden auf lange Zeit die letzten sein, die als Kinder ganz selbstverständlich Erfahrungen in Feldern, Wiesen, Wäldern und am Wasser gemacht haben, glaubt er. Er beschreibt eine seltsame Beziehung …