Bücher, Natur und Umwelt
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Genutzt: Reinhard Witt –
Das Wildpflanzen Topfbuch I und II

Bunt und prächtig – so soll Balkon. Am liebsten den ganzen Sommer lang. Aber, bitte auch pflegeleicht – und da geht’s schon los. Denn Vielblüher muss man viel düngen und vor Vielfraßen schützen… Bei den aktuellen Wetterlagen gibt es außerdem gerne mal erst zu viel Sonne oder Regen, dann zu wenig, oder umgekehrt. Wer also sind beste Balkonfreunde? Reichlich bunte Ratgeber haben dazu reichlich bunte Ideen. Nur die Wilden kennen sie nicht. Unsere einheimischen Schönheiten, denen nichts so leicht den Garaus macht – und die zusätzlich einen ziemlich angesagten Wunsch erfüllen: Wildbienen erfreuen. Wer das wirklich will sollte sich Reinhard Witts Topfbücher anschaffen. Sollte? Muss! Wo andere vielleicht – so wie ich früher – zwischen Impatiens, Fuchsie und Kapuzinerkresse Krimi lesen, sitze ich heute zwischen Lichtnelke, Frauenspiegel und Flockenblume mit meinen lila Witt-Büchern und träume. Oh! und Ah! seufzend, was alles möglich wäre! Möglich ist! Nur noch eben einen neuen Plan machen und dann dies säen, jenes pflanzen… Kann ich gar nicht genug von kriegen. Dabei habe ich schon geschluckt, als Anfang Mai das heiß ersehnte und ausdrücklich bei Witt persönlich georderte Buchpaket kam. 50 Euro?! Aua. Ganz schön viel für einen Balkontopf-Ratgeber, dachte ich. Und dann hat er mir auch gleich noch zwei geschickt, wollte ich doch gar nicht…. Bis ich kapiert habe, dass die beiden zwillinghaft aussehenden und auch in der Praxis kaum unterscheidbaren Bücher einfach Band I und II sind. Na dann… Monate später, nachdem ich mich gründlich reingelesen habe, kann ich sagen: Der Preis ist keineswegs zu hoch.

Aber, zwei Schritte zurück. Wildblumen fand ich immer schon wunderbar. Aber als Ü60 war ich zimmer-/balkon- und gartenpflanzengartenmäßig voll auf Blühwunder gepolt. Meist ursprünglich aus dem Regenwald stammend (innen) oder Südafrika (außen). Jedenfalls dachte ich gar nicht dran, Wildblumen zu pflanzen. Unkraut! Hätte meine Mutter gesagt, raus damit! Dabei sind die Wilden genau, was sich heute jeder Gartenfan wünscht: Klimatisch anpassungsfähig, relativ pflegeleicht und auch noch Anziehungspunkt für Falter, Käfer und Wildbiene plus deren Freunde und Freundesfreunde. Bei Witt findet man Tabellen, denen man entnehmen kann, wer mit wem am besten kann. Also welche Pflanzenarten, welche Wildbienenarten anlocken. “Tiere pflanzen”, nennen sie das im Verein NaturGarten, dem Witt lange vorstand. Das geht? Hm. Ich war skeptisch. Als ich den Naturgartenbauer, Insekten-Lobbyisten und Autor für meinen Wildblumenartikel in Schrot&Korn interviewte, war das Buch noch nicht erschienen. Ich bat ihn um eine Empfehlung? Seine Antwort: „Glockenblumen! Davon gibt es 52 heimische Arten, auch kleine, die für einen Balkon geeignet sind. Außerdem alle Arten von Lauch sowie Horn- oder Sichelklee.“ Letzterer sei besonders bei Schmetterlingen beliebt. Glockenblumen? Gebongt. Eine „Pfirsichblättrige“ wollte ich haben. Dafür bin ich dann extra ins paar Kilometer entfernte Groß-Gerau gefahren, weil ich dort die nächste Wild-Staudengärtnerei ausgemacht hatte.

Geholt, gepflanzt und… Geduld. Denn es war April und sie noch klein. Geduld muss man sowieso immer haben bei Wildpflanzen. Während ich also wartete und ihnen beim Wachsen zusah, kamen dann irgendwann die Bücher. Endlich! In Band I entdeckte ich eine, die ich mal als Ableger aus der Lausitz mitgebracht habe: Walzenwolfsmilch. Aha! Blühte in Frankfurt dieses Jahr zum ersten Mal. Bei Witt lebt sie in Topfgemeinschaft mit Felsen-Steinkraut. Superidee. Das haben wir wir auch, aus dem Hohenlohischen mitgenommen. Im Herbst pflanze ich sie zusammen. Überhaupt gibt es im Buch zahlreiche Anregungen sowie Praxisbeispiele von anderen Topfgärtnerinnen. Eine von ihnen ist Katharina Heuberger aus München, die ihren Balkon im 5. Stock „Wilder Meter“ nennt und ihre Erfahrungen auf dem gleichnamigen Blog teilt. Bei Glockenblumen kriegt Katha sich kaum noch ein. Beschreibt sie in jedem Wuchsstadium voller Leidenschaft, und wie die Männchen in den Blüten schlafen, und auf die Mädels warten. Olala! Und bei uns? Kaum waren die Glockenblüten aufgegangen, kam sie tatsächlich angesaust: die Glockenblumen-Scherenbiene. Ich konnte es kaum fassen. Glockenblume und Moschusmalve mag sie laut Wildbienenfachbuch – und genau dort habe ich beobachten können. Später hab ich noch eine Flockenblume gepflanzt. Mit ihr kam sofort eine kleine Schmalbiene mit grünlichem Schimmer zu uns, die ich noch nicht genau identifizieren konnte. Zur Ehrenrettung meiner alten Geranien (die ich, Naturbalkon hin oder her, weder rausgeworfen noch weggeschenkt habe) kann ich von einer spannenden Bobachtung berichten: Die Bienenfangende Knotenwespe baut in den Geranientöpfen ihre Brutnester (nicht erst seit diesem Jahr). Beim Bienenfang habe ich sie nicht erwischt, aber beim Löcher Auf- und Zubuddeln für den Nachwuchs.

Kurz: Hat sich voll gelohnt die Anschaffung. Nur eine Anmerkung noch: Als ich noch auf Suche nach Büchern über Wildpflanzen für den Artikel war, fand ich das Vorgänger-Topfbuch (nur ein Band!). In einer Rezension dazu stand: Inhaltlich sei Witt kaum zu übertreffen, nur sein Schreibstil etwas nerdig und gewöhnungsbedürftig. Stimmt. Aber… geschenkt. Besser kauzig als langweilig. Dieser Erfahrungsschatz! Ich bin witt und weg.

Reinhard Witt: Das Wildpflanzen Topfbuch I & II. Ausdauernde Arten für Balkon, Terrasse und Garten,
zusammen 807 Seiten, NaturGarten Verlag 2023, 49,90 Euro.


 
 
 

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