Reportage
Schreibe einen Kommentar

Neue Perspektiven: Hop on, Hop off


 
Schonmal Tourist in der eigenen Stadt gewesen? Wir wohnen seit 35 Jahren in Frankfurt – und es ist oft so, dass wir die Möglichkeiten direkt vor der Haustür gar nicht so wahrnehmen. Der Klassiker bei uns: Freunde, die nicht in Frankfurt leben (über solche Menschen hat ja schon Goethe sich gewundert), fragen, ob wir schon die Ausstellung XY gesehen haben? Äh… nein. Oft hatten wir uns das sogar fest vorgenommen. Fast. Wären wir dort gewesen. Aber da es kein Problem ist hinzugehn, nehmen wir es uns oft solange vor, bis es dann rum ist. Aber wir bessern uns, machen einfach Termine aus mit Leuten, die vorbeikommen.

Letzt war wieder so ein Moment – Sohn war da – was tun? Papa schlägt Sightseeing mit dem Bus vor? Hey! Super-Idee. Eine gute Stunde lang haben wir uns herumfahren lassen. Natürlich oben an Deck.




 

Wir sortieren uns gerade noch, stöpseln den Audio-Guide ein, als wir merken – wir stehn ja. O-kay, hier ist Altsachs (Alt-Sachsenhausen, das Äppelwoikneipenviertel Frankfurts), aber – Hm? Hier gibts doch gar nix zu gucken?! Der Guidefunk schweigt. Die Leute vor uns kleben an ihren Smartscreens, die hinter uns buchen per Handy Tickets für eine Abendveranstaltung. Da sehe ich unseren Busfahrer, einen Pappbecher balancierend, aus einem Stehcafé kommen… Oh-Oh, CO2-Bilanz.

Und weiter gehts. Walzertöne im Ohr. Dann doch ein paar Infos – Einwohner, Größe der Stadt, Bla. Dominik und ich schalten um auf Englisch. Das erhöht ganz herrlich das Fremdheitsgefühl, das die echten Touris um uns herum wahrscheinlich sowieso haben.


 

Frankfurt zeigt sich von seiner besten Seite – schon nach ein paar Metern Fahrt, auf der ersten Brücke ein großer Menschenauflauf. Transparente werden hochgehalten – Ah, es ist eine Demo für die Seenotretter. Offenbar spontan, denn auf einmal gehts rund: Lalü-Lala. Polizei überall. Sirenenklänge mischen den Walzer ab.

Le ciel est bleu et le soleil brille.. Touriwetter. Umso schöner, dass uns der Fahrtwind durchs Haar wuschelt. Der Bus quetscht sich durch die alte Stadt, mehr als einmal denke ich Uiuiui, wie knapp war das denn?! Aber alle Radfahrer kommen ungeschoren wieder zum Vorschein. Wir passieren die Kleinmarkthalle, schieben uns durch die Bankenschluchten und halten am „most beautiful place in Frankfurt“ – What?!

Die Alte Oper. Ich schaue auf die neuen Betonbarrikadenwürfel, die seit den islamistischen Anschlägen in Europa hier und überall in der Stadt herumliegen wie riesige Legosteine. Und höre zum ersten Mal, dass das ursprüngliche Gebäude im Krieg zerstört wurde und nur wegen einer Bürgerinitiative jetzt wieder dort steht. „50.000 Deutsche Mark were collected.“




 

Herrlich. Wie Kreuzschifffahren. Das Gewimmel in der Stadt ist atemberaubend. Samstag halt, beste Einkaufszeit. Aus dieser Perspektive genial. Am Bahnhof warten wir dann gefühlt zwei Stunden, und eine gerade Zugestiegene kriegt sich nicht mehr ein – „Ja, ist der bescheuert – worauf wartet der?“

Auch sonst hat sie beste Ratschläge. Dass da Demonstranten die Brücke blockieren, gehört verboten. Und dann noch auf der anderen Seite das Mainufer gesperrt – bescheuert! Das könnte man doch anders regeln, da kann ja niemand fahren. Wir stehen im Stau und Ihr fünfjähriger Enkel, der vorne an der Scheibe sitzt, weiß auch schon warum: „Ja, können die alle nicht richtig fahren? Oder was.“

Ach Kindermund. #Verkehrswende jetzt? Wie soll das gehn mit all diesen Menschen? Wir hoppen off – und gehen Eis essen beim Schnauzbart am Lokalbahnhof. Mehr Frankfurt geht nicht.

 
 
 

Schreibe einen Kommentar