Gesellschaft
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Aus name zustand: 17.000 friedliche Protester!

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Feuer und Gewalt! Morgens um 7 ist die Welt schon angeraucht. Eine halbe Stunde nachdem der erste Heli übers Haus geknattert ist, laufen die ersten Meldungen über Twitter. Wie? Brennende Autos und Barrikaden? „Shit! Keine Gewalt!“ Bittet @Muschelschloß auf twitter. Ja, Scheiße. Bleibt aber Ausreißer von immerhin 1000 Hool-Köpfen, die für Randale gekommen sind. Da hat Frankfurt schon anderes erlebt, selbst wenn jetzt alle Medien schnappatmen. Und das heftigst, untermalt von den feurigsten Szenen und Fotos von den steinewerfendsten Schwarzer Block-upyern. Vom Machtdemonstrations- oder Self fulfilling Prophecy-Charakter des „Schutzkonzepts“, das unsere Stadt schon seit Montag in eine Festung verwandelt hat – nichts. Vom Ausschluss der Presse bei der Eröffnungsfeier – nichts. Nicht die Demonstranten haben die Innenstadt wegen Brandschatzens und Marodierens lahmgelegt, wie man angesichts der Berichterstattung denken könnte, sondern die großzügige Absperrung der Innenstadt durch die Polizei.

Ausreißer hin oder her, der Morgen war krass. Autos haben gebrannt, es gibt diverse Scherben, Emotionen, Feindbilder aufzukehren. Und wieder zeigte sich, dass Streitkultur fehlt, dass Konflikte vor allem eins auslösen: Angst. Traditionell wurde also nach rechts und links sortiert – und besonders dort gemobbt und gepöbelt, wo es am wenigsten soziale Kontrolle gibt, im Netz.

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Um 14 Uhr auf dem Römer jedenfalls wars pickepackevoll und alle hatten beste 1.-Mai-Stimmung. Der Attac-Slogan „My big fat greek Solidarity“ war einfach gut, für Kinder gabs blau weiße Herzchenballons. Kurz: Schuldenschnitt mit Herz. Junge und mittelalte Leute waren da, Friedenstäubchen mit Pace-Fahnen und Hardcore-Aktivisten mit denselben Sturmhauben wie die Polizei. Rund zehntausend fasst der Römer. Rund um den Paulsplatz waren nochmal so viel, flankiert von nochmal so vielen Einsatzkräften. Später in der Tagessschau (die Jungs haben vor mir gefilmt) sieht man davon im Schatten von Randale und Feuerbildern nur eine Pflichtsekunde lang. Heiligs Blechle!

Die Zeil wurde von Aktivisten wie bei Occupy vor zwei Jahren mit diversen Aktionsspots aufgemischt. Wellenbewegungen von Demonstranten und Polizisten. Geführt von einer Sambatruppe in rosa. Die wird zweimal eingekesselt – doch weiter geschieht nichts, beide Seiten machen ihre Demo, verhandeln und halten sich zurück. Es geschieht ohnehin nichts, was nicht gesehen, dokumentiert und getwittert wird. Von hinten sieht man nur emporgereckte Arme und Smartphones, oder das Teleskopstativ mit Kamera der Polizei. Gerangel. Hin- und Hergewoge. Sie rufen: „This is how – demo-cracy looks like! This is how – demo-cracy looks like…“ – und ich wundere mich, dass nicht alle mitschreien. Nee, mitschreien ist oldschool. Dafür wird aufgezeichnet.

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Ansonsten ist es gespenstisch leer in der Stadt. Manchmal begegnet man einem Trupp Polizisten, die wie eine Phalanx irgendwohin marschieren, manchmal einem Trupp Demonstranten, die sich mit Proviant eingedeckt haben. Manchmal beidem… Mittwoch autofrei – das hat mir gut gefallen. Konsumfrei teilweise auch – Kaufhof und diverse andere hatten geschlossen (sicher mal sicher). Das bereinigt die Demostatistik. Hatte mal recherchiert, dass an einem Occupy-Aktionstag mehr Leute bei Kaufhof waren als auf der Demo. Gestern nicht.

Mittlerweile sind sie wieder zuhause die 900 Sonderzuzügler aus Berlin. Die Italiener, Spanier, Franzosen und Griechen werden wohl noch hier sein. Die Medientitel am Kiosk melden Feuer und Randale! Wenig, was Menschen mehr in Alarmzustand versetzt. Und Zeitungen wollen ja verkauft sein. Auf twitter bedauerte einer, es werde bleiben, dass man besser mit dem einen Prozent an Reichen leben kann, als mit den 99 % Bekloppten. Yep. Das ist der zentrale Befund des Tages. die Diskussion geht nicht dahin, wieso wir einen Verarmungskurs mittragen, wieso wir alles tun, dass das Geld nur ja ausschließlich bei uns bleibt (Griechenland den Griechen! Haben ja eh alle nur geprasst. Zum Schämen wie dieser Schäubleplan eines Flüchtlingslagers in Nordafrika – was ist extrem?). Nein, es wird nicht über auskömmliche Lohnkosten, faire Behandlung oder ähnliches diskutiert, sondern – über gewaltbereite Linke, respektive Ausländer.

Es soll auch Verletzte unter den Polizisten gegeben haben (laut @polizei_ffm abends schon wieder alle fit. Der Tagesspiegel meint, vom selber versprühten Pfefferspray). Gewalt macht Gewalt. Daher ist doch die Frage, wie klug das Konzept war. Wie gut die Idee, die Bank wie eine Festung schon zwei Tage vorher zu verrammeln und zu verbarrikadieren und die Stadt mit 10.000 Polizisten aus ganz D aufzurüsten, die in ihren Rüstungen wie eine Kreuzung aus Bulldogge und Footballspieler aussehen. Dass die Protester aus Südeuropa sich nicht aufhalten lassen, wenn sie dem kapitalistischen Machtzentrum ihre Meinung kundtun wollen – Überraschung! Heute ist die Stadt wieder uns, der Aufräumdienst war schnell, von Frankfurt in Schutt und Asche keine Spur. This is how democracy looks like…
 

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2 Kommentare

  1. Harald sagt

    und noch ein paar Ergänzungen:

    1. “Nie dagewesenes Ausmaß an Gewalt”?
    Wie bitte? So eine Feststellung bedarf schon der “späten Geburt” – und zwar lange nach 68/ 75/ 89/ 86 …. – oder aber ist Beweis dafür, dass Demenz nun schon in immer jüngerem Alter eintritt …!

    2. Wem nutzt es?
    Es war ja angekündigt, dass Faschos sich an Blockupy “beteiligen” wollten.
    Insbesondere die ersten Angriffe auf Polizei-Fahrzeuge (lange bevor “es” losging) könnten da schon passen:
    – gleich zu Beginn die Stimmung aufheizen;
    – gerade da, wo linke Politik auf die “Massen” trifft, einen Keil dazwischen treiben;
    – in der Bevölkerung “Angst vorm linken Mob” (Schwarzen Block = Vorbild und Konkurrenz der militanten Faschos) schüren – das hat schon immer in Deutschland die Massen in die Arme der Rechten/Faschos getrieben;
    – Antikapitalismus kann so prima diskreditiert werden;
    – Faschogruppen hätten (?) sich hier prima ausaggieren, probieren und lernen können (auch die müssen ja schließlich ihre Praxis üben)- alles, was schief geht, geht auf Kosten der Linken;
    – Wenn sie schon selbst keinen (aktiven) Massenboden mehr haben, können sie wenigstens den der Linken benutzen, um “den Ernstfall” zu trainieren;
    – …

    3. “Gedungene” Provokateure?
    Ich bin nicht der erste (bis hin zu “bürgerlichen” Medien), der auf die Idee kommt, dass wer Gewalt will, diese erzeugen kann, in dem er bürgerkriegsähnliche Zustände erzeugt, sprich die Polizei seit Montag in FFM.

    4. Und natürlich gibt es immer im Windschatten von Großveranstaltungen Leute, die – mehr oder weniger – Kopflos ihre Aggressionen austoben wollen (nicht nur beim Fußball).

  2. Harald sagt

    Hi Ihr zwei,
    wer auch immer von Euch (oder Gemeinschaftswerk?) diesen Bericht geschrieben hat:
    Wieder mal echt Spitze!! Klar, natürlich auch, weil ich Eure politische Einschätzung teile – aber selbst wenn nicht:
    Eure Schreibe ist für mich – wie z.B. auch bei Wuppertal – ne geniale Mischung aus scharfer (Detail-) Beobachtung, lakonisch-distanziert, deutlich durchschimmernden eigenen Gefühlen und Haltungen (etwas einbringen und bewegen wollen?!) und politisch auf den Punkt bringen. Dabei nicht abgehoben künstlerisch im Sinne von gekünstelt oder mit Zeigefinger belehrend, sondern unaufdringlich “normal” und doch außergewöhnlich – klasse!
    Selbst wenn ich nicht Eure Haltung teilen würde:
    Euer Geschriebenes und Fotografiertes würden zum Nachdenken anregen.
    Danke!!!
    Deshalb schicke ich den Link mal an viele andere weiter …
    Liebe Grüße
    Harald

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