Medienkritik
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Papierliebe – neu sortiert


 
Makaber: während die Rundschau ums Überleben kämpfte, säuselten smarte Stimmen im Radio den SZ-Slogan: „Seien Sie anspruchsvoll“. Die in diesen Werbe-Audioclips fingierten Spatzerl-Dispute verliefen etwa so: Oper, Wirtschaft, Politik – du kennst dich ja plötzlich in allem gut aus, „Sag ehrlich, hast du ne Andre?“ Der Zungenschlag für hessische Ohren zwar weit neben der Spur, aber die Lockung war da. Schließlich ging’s ja nicht um den Bayernsound, sondern ums Testabo für umme… Okee. Irgendwann war’s gebongt. Dazu das 10-Wochen-10 Euro Lockabo der neuen Wochenendtaz, ein weiteres Freiabo der Verkehrszeitung, ne Prise Zeit – und last not least das neue Stadtaspekte… Schurusch-schurusch! Wir lasen morgens, mittags, abends, wir badeten in Druckerschwärze, stapelten Zeitungen – und, Hand aufs Papierherz, kamen kaum hinterher.

Irgendwann, nachdem die offenbar kurzfristig eingefrorene FR-Buchhaltung anwaltsmäßig transferiert war, trudelten die Abo-Rechnungen der vergangenen Monate ein. Derweil aber war mein Fass voll. Ich habe die Frankfurter Lokalprosa ja schon lange gehasst, diese blödsinnigen Bildunterschriften, die launigen Kellernews, und – ganz schlimm – die Reportagen aus dem Zoo. Wenn in den letzten Monaten Leselust aufkam, war’s garantiert ne Zweitveröffentlichung. Bah. Zerrüttet dieses Verhältnis. Ich gab den letzten Soli-Euro – und bestellte sie ab. Dann endeten peu á peu die Probeabos. Die Supersonder-Weiterabonnier-und-Gartenschere-als-Geschenk-dazu-Angebote schlug ich allesamt aus – und? Ruhe.

Super. Fast wie Urlaub. Wenn man schon facebook nicht mehr anhalten kann… Nach einem Monat des Zeitungs-Up- und einem weiteren des Zeitungs-Downsizings haben wir uns für Papier nur freitags entschieden und ich frage mich – ja, unverschämt netzschmutzend, ich weiß, aber ich frage: Wozu eigentlich der ganze Rest?
Während der FR-Abo-Ära habe ich manchmal die ganze Woche keine Zeitung gelesen, und dann manchmal erst beim Schuheputzen oder Blumenumtopfen (wofür man ja immer Zeitungen braucht) den einen oder anderen interessanten Artikel gefunden. Altpapier at it’s best. Aber jetzt – jetzt lese ich wieder täglich! Fachartikel im Internet oder Bücher. Schopenhauers Reisetagebücher erfreuen mich gerade sehr. Und Zeitung. Ja. Die neue hat sogar paar Seiten Englisch, damit Spatzerls erste Fremdsprache nicht rostet. Awesome, echt.

Natürlich weiß mein Freitagspapier nichts von der Demo der Frankfurter Türken am Samstag, nicht mal der lokale Radiosender hat zeitnah berichtet, dafür aber die Freundin aus dem Saarland. Geht nichts über ein vielfältig sortiertes Infosystem. Manchmal allerdings fehlt sie schon, die aktuell gealterte Tageszeitung. Wenn mein Kater kotzt.

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