Ausstellungen, Fotografie
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Ausstellung: Die B-Klasse im Städel

Fesselnd, trotz des emotionslosen Blicks, dieses Bubikopfmädchen auf dem Plakat „Fotografien werden Bilder / Die Becher-Klasse“. Dem Titel entsprechend sind Hilla und Bernd Becher nicht im Fokus dieser Ausstellung. Die Grafik an der Foyerwand des modernen Städelzweigs ähnelt einem Stammbaum, zackig zur Matrix werdend: Die Bechers an der Spitze. Begründer einer Dynastie. Die abzweigenden Linien führen zu neun wohlgehabten SchülerInnen.

In der Ausstellung zwar kein Wasserturm nirgends, aber dennoch frühe Becher’sche Leitplanken: Papierabzüge von Industrietoren, Fachwerkhäusern, Kohlesilos. Sehr schwarzweiß, sehr analog und auch sehr klein. Die Bilder ihrer Schüler anfangs noch ebenso analog, schwarzweiß – doch der bald kommt der erste Sprung ins Farbige und der nächste ins Digitale. Der noch gar nicht so lange her ist. Damit beginnt das Spiel mit der Wahrheit, dem Verschwinden der Doku, dem Dehnen und Größer- und Nochgrößerwerden.

Viel Langweiliges dabei, unter diesen berühmten Fotografien, die „international prägend“ waren, wie Kuratorin Jana Bergmann emotionslos vermerkt. Ein Großteil wirkt enttäuschend flach. Ob klein oder groß, schwarzweiß oder bunt spiegeln die meisten – über die Vorsätzlichkeit hinaus und in einfache Bildsprache übersetzt – ein gerüttelt Maß an deutscher, buchhaltérischer Leere.


 
Fotografien werden Bilder… Barbara Klemm sagt im Video zur Ausstellung ihrer analog schwarzweißen Fotos (die den Umbau der modernen Städelabteilung reportieren): “Die Bild-Komposition ist wichtig.” Sonst sei es Doku, aber kein Bild.

Einige der B-Klasse-Fotos aber sind stark über die schiere Größe hinaus: die vier Meter “Montparnasse” etwa von Andreas Gursky. Auch sein Panorama vom Gardasee. Im Bild “Passkontrolle”. zeigt er gar Humor. Noch witziger wird es in der Kombi mit dem Bild daneben, in der Lobby eines Großkonzerns aufgenommmen, wo am Empfang genau dieselbe Sorte Kontrollettis sitzen. Herrlich. Und auch schön: Candida Höfers Diaschau „Die Türken in Deutschland“. Dabei sind eigentlich große, menschenleere Räume ihr Markenzeichen. Bibliotheken, Hörsäle, Vortragssäle. “Ich dirigiere nicht gern”, gesteht sie im Museums-Video-Porträt. Und dass sie sich wohler fühlt, wenn da nicht so viele Menschen sind. Anfangs habe auch sie “noch ohne großen Aufwand” fotografiert. “Kleinbild und ohne Stativ”, schief manchmal.

Dann kam Technik. Kamen Großbanken als Auftraggeber für große Becherschülerbilder. Die in große Foyers passten und genügend monetäre Distanz ausstrahlten. Im gemeinsamen Video zur Ausstellung erklären Volker Döhne, Candida Höfer, Thomas Ruff und Thomas Struth abwechselnd, worum es ihnen eigentlich ging: Konkurrenz zur Malerei. „Wenn das Bild größer ist, ist die Wirkung anders“, sagt Höfer … Dazu der verknitterte Ruff ganz cool: Vorher sei die Fotografie den Sammlern am Arsch vorbeigegangen, aber bei der Größe „konnten sie nicht mehr wegschauen.“ Think big. Think Geschäftsmodell.


 
Vor den Bechers habe es nicht die Präsenz dieser Fotografie im Bereich der bildenden Künste gegeben, führt Ruff weiter aus. Heute dagegen hätten wir „eine Situation, wo eigentlich alle ganz normal mit dem Medium Fotografie als künstlerisches Medium umgehen.“ Ist das so? Sicher, Fotografie ist allanwesend. Aber der bewusste Umgang mit ihr, die Lesbarkeit ihrer Inhalte, die Bildsprachkompetenz sowohl der Sender als auch der Empfänger – hat all das mithalten können? Wahrhaftigkeit. Wieder landen wir hier, wieder beim Höhlengleichnis von Ulrich Metzmacher.

Und beim nächsten Video, gedreht im Palmengarten. Wo Jörg Sasse über Schein und Sein nachdenkt. Er verwendet überwiegend Fundfotos, die er bearbeitet. Urheber: Sternwarte, Amateur (Nachlässe), oder er selbst, weil er manchmal auch “knipst“. Knipst? Einer der neun Becher-Schüler. Apropos Fotografie, Natur, Palmengarten. Dort sind gerade die atemberaubenden Bilder des GDT-Wettbewerbs um den Titel des Europäischen Naturfotografen 2015 zu sehen (aktuell wird der 2017er Wettbewerb für die erstmalige Präsentation beim Naturfotografie-Festival in Lünen vorbereitet). Sorry, aber für uns sind es diese Naturfotografen, bei denen – unter (ebenso?) großem Zeit- Fleiß- und Technikaufwand plus Know-how über Ort, Flora, Fauna, Wetter – Fotografien zu Bildern werden.
 
 

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