Alle Artikel mit dem Schlagwort: Journalismus

Blattkritik – Selfie-Kick!

  Mein angepisstes Gegenüber liest mir aus der SZ am Wochenende (Buch Zwei vor zwei Wochen) vor: „Die ersten Apparate für den Hausgebrauch… mussten mit kurzen aber sehr teuren Filmen bespannt werden, die man anschließend zum Drogisten trug.“ Was? Achso, es geht um analoge Fotografie. „Bespannt.“ Putzig. Der Mann hat also noch nie einen Film eingelegt. Mir kommt der eine oder andere selbst gemachte Fehler in den Sinn, daher nehme ich den Schreiber Hannes Vollmuth in Schutz – und ernte erst vernichtendes Augenrollen, dann die Aufhänger für den Artikel gesteckt: Magnum (die Agentur!) hat Geburtstag und Josef Koudelka (der Magnum-Fotograf!) hatte eine Ausstellung. Okay. Das schreit eigentlich nach einem, der Ahnung hat. Mein Mann, sonst kein Freund der Vorleserei, zwickt sich noch einen Satz raus: „Dann erstand (Koudelka) eine zweiäugige Spiegelreflexkamera, Sucher oben, von dort schaute man in den Apparat.“ Normalerweise hätte Pat spätestens jetzt den Artikel weggelegt, aber wenn es in unserer Abo-Zeitung schon mal um Fotografie geht… Und zwar über drei Seiten, vollgepackt mit Magnumfotos. Und auch wenn sie irgendwie konzeptlos zusammengeschustert wirken: …

Papierliebe – neu sortiert

  Makaber: während die Rundschau ums Überleben kämpfte, säuselten smarte Stimmen im Radio den SZ-Slogan: „Seien Sie anspruchsvoll“. Die in diesen Werbe-Audioclips fingierten Spatzerl-Dispute verliefen etwa so: Oper, Wirtschaft, Politik – du kennst dich ja plötzlich in allem gut aus, „Sag ehrlich, hast du ne Andre?“ Der Zungenschlag für hessische Ohren zwar weit neben der Spur, aber die Lockung war da. Schließlich ging’s ja nicht um den Bayernsound, sondern ums Testabo für umme… Okee. Irgendwann war’s gebongt. Dazu das 10-Wochen-10 Euro Lockabo der neuen Wochenendtaz, ein weiteres Freiabo der Verkehrszeitung, ne Prise Zeit – und last not least das neue Stadtaspekte… Schurusch-schurusch! Wir lasen morgens, mittags, abends, wir badeten in Druckerschwärze, stapelten Zeitungen – und, Hand aufs Papierherz, kamen kaum hinterher. Irgendwann, nachdem die offenbar kurzfristig eingefrorene FR-Buchhaltung anwaltsmäßig transferiert war, trudelten die Abo-Rechnungen der vergangenen Monate ein. Derweil aber war mein Fass voll. Ich habe die Frankfurter Lokalprosa ja schon lange gehasst, diese blödsinnigen Bildunterschriften, die launigen Kellernews, und – ganz schlimm – die Reportagen aus dem Zoo. Wenn in den letzten Monaten Leselust …

Bauern-Buy-out

  Leben wir nicht in wunderbaren Zeiten?! Kinder – alles ist möglich! Also, wir können reisen, auch wenn wir nicht in den gebrauchten Bundesländern leben, wir können essen so viel und billig wir wollen. Frauen können sich entscheiden – Teilzeitmutter, Kanzlerin oder sogar Aufsichtsrätin in einer Bank, hofft Viviane Reding. Monsanto kann sich ein Schweineschnitzel patentieren lassen – und jetzt gelten sogar Schimpansen als Erfindung des Menschen. Irre. „Versklavung des Lebens auf der Welt“ nennt Vandana Shiva so was wie Urheberrecht auf Saatgut, Eizellen oder Schimpansen mit Insekten-Gen. Gerade hab ich über die indische Physikerin, Aktivistin und die Trägerin des alternativen Nobelpreises 1993 und ihre Kampagne „Befreit das Saatgut“ geschrieben – und dabei fiel auf, dass Sortenschutz oder Patentrecht auf Organismen (Tier, Pflanze, Einzeller) ebenso kompliziert sind wie das Urheberrecht bei Künstlern, Fotografen, Autoren. Wer darf eine Kartoffel aus welchem Samen ziehen? Wem gehört die Kartoffel dann? Und wem das Rösti, das daraus gemacht wird? Sortenschutz heißt, wenn M. Santo eine Kartoffel gezüchtet hat, müssen die Bauern, die sie pflanzen, ihm Geld dafür bezahlen – …

Poetry meets Gier, Maß, Alltag

„Today was national Poetry Day, what is your favourite Poem?“ Nationaler Gedichttag – welches ist euer Lieblingsgedicht? Fragte eine Freundin am 4. Oktober auf fb. Gedichttag? Was? Wann? Natürlich das „national“ übersehen. Sonst hätt ich zur Feier des Tags eines online gestellt… Ja, das hätte ich, obschon mich eigentlich genau diese kleinkarierte Unsitte abstößt, Themen nur dann wichtig zu finden, wenn es einen “Aufhänger” dafür gibt. Wahrscheinlich haben redundante Redakteure oder joblose Journalisten selbst diese Hakentage erfunden. Wirklich gute Geschichten brauchen das nicht, berühren immer. Aber warum lassen sich heute nur noch so wenige von Gedichten berühren? Auf der deutschen Plattform Lyrikline erklären die Macher unter FAQ, weshalb sie keine Manuskripteinreichungen oder Tipps brauchen: “Es gibt viel mehr Leute, die Gedichte schreiben, als Leute, die Gedichte lesen.” Ist vielleicht das der poetische Stolperstein? Der große Filmemacher Akiro Kurosawa vermerkte in seiner Autobiographie, um gute Drehbücher zu schreiben müsse man: Lesen, lesen, lesen! Got it? Zafer Şenocak wiederum nennt Gedichteschreiben Auszeit nehmen. Auszeit vom eventgetakteten Trubel des journalistischen Schreibens. Ein Innehalten, zu Atem, zu frischem Denken …

Occupy Frankfurt: traumkrass

Hey Leute, ihr habts geschafft! Gerufen und Tausende sind gekommen. Tausende, die ihr Unverständnis, ihre Wut und Wunschzettel zu handgemalten oder farbgedruckten Bannern gemacht haben. Kleine Auswahl: We are so angry, we made a sign! – Grow solidarity, not economy – Power to the People – Diese Person möchte keine Banken retten – …Lobbyistennutten… – Schämt euch! – Jump you fuckers – Bad banks for bad boys – Ihr spekuliert mit unserem Leben! – Wozu Banken überfallen? Die Schlauen gründen eine Bank! – Revolution – Eat the rich! – wir sind die 99 % – Ich bin 99 % – Empört euch! – Wir sind alle Griechen – Europa den Europäern – Das Spiel ist aus! …… Und alle zusammen: „Hoch! die! Internationale Solidarität!“ Den Takt gaben Trommeln, Pfeifen und Ratschen. Seifenblasen steigen zwischen den Leuten auf. Die Abluftgitter der U-Bahn dienten als Flugblattspucker – man sah die kleinen Blätter von weitem wie Konfetti über der Szenerie umherwirbeln. Ihr habt noch was geschafft: die bunteste Mischung von Leuten zusammen getrommelt, die sich je in Frankfurt …

Mein Blog, mein (Denk-)Zeichen!

Was wünschst du dir von mir? Fragte ich vor ein paar Monaten eine neue Rhein-Main-Freischreiberin. Da ich die Regionalgruppe hier gegründet hab und leite, denke ich mir regelmäßig Veranstaltungen aus, die uns Freien den Austausch ermöglichen und uns weiterbringen mögen. Denn: Heulen, Jammern und Zähneklappern über Medien-, Schulden- oder sonstwelche Krisen ist out. Selbst ist der Mensch. Sie wünschte sich dann einen Abend zu: „Wie werden meine Texte internetfähig?“ Also dachte ich an Vollprofis, an Blogger. Antje Schrupp angefragt und Lars Fischer und – gestern waren sie da und haben uns Freischreibern und anderen Interessierten im Frankfurter Club Voltaire ein paar Blogbasics vermittelt: 1. Bloggen ist Lebensform Antje sammelt in einer Exceldatei die Arbeitszeit fürs Blog, nimmt die dafür aufgewendete Zeit aber eher so wahr, als mache sie sich einen Tee, rede mit den Nachbarn oder schaue mal eben aus dem Fenster. Ich blogge, also bin ich. 2. Bloggen ist Leidenschaft Blogge das, was dir richtig am Herzen liegt. Was? Eigentlich egal. Es dürfen auch Kochrezepte gemischt mit Soziologie sein. Lars schreibt am liebsten über …

Meine Arbeit, mein (Frei-)Zeichen – Code of Fairness

We did it again: wieder auf der Straße. Diesmal für mehr Fairness zwischen Redaktionen und Freien Journalisten. Für die Himmel-und-Hölle-Kampagne der Freischreiber. Diesmal zu sechst plus Baby, als Delegation des Berufsverbands Freischreiber bzw. als „befreundeter Freier Fotograf“, der das Ganze fotografiert hat. Wir wollten ja nicht jammern, sondern augenzwinkernd darauf hinweisen, was wir uns unter fairen Arbeitsbedingungen so vorstellen. Darunter ist einiges so banal, dass fest Angestellte kaum glauben können, dass es uns fehlt. Deshalb haben wir Glückskekse verteilt, in denen unser Freienglück in Form weiser Sprüche eingebacken war. Die Glückskeks-Aktion lief vom 12. September bis heute, 16. in Hamburg, Bremen, Berlin, München – und hier, in Frankfurt: Wo gehen wir denn hin? Haben wir Rhein-Main-Freischreiber im Vorfeld überlegt: Frankfurter Rundschau? Die Festen dort hätten gerade sicher auch gern eine Aktion für mehr Fairness im Haus. DPA? Deutscher Fachverlag? Journal Frankfurt, Frankfurter Neue Presse? Wir einigten uns auf FAZ und Hessischer Rundfunk. 15. September, 9:15h Glückskekse! von Freischreiber! „Oh, ja gerne. Von wem?“, fragten vor der FAZ Redakteure, die einen Kindersitz im Auto, ein teures …