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Ypsilon rising: Einmal mit alles bitte!

Pano_High Inn #01
 
Was machen diese Y-Kinder bloß, wenn mal kein Strom da ist? Vor zehn Jahren noch ging es uns als Eltern wie so vielen: um alles, was uns wichtig war, wurde gerungen. Also, um computerspiel-freie Zeiten (hatten trotzdem keine Chance gegen GTA, Warcraft, Hitman), um rücksichtsvollen Umgang mit Strom, Wasser, Essen (trotzdem keine Chance gegen Dusch-Séancen oder Burger vom Meckes), und Schule. Mit der kämpfte man sowieso, ob wie oder dass sie was Ordentliches auf die Beine stellt. Vor allem die Jungs standen ja immer in der Kritik. Und haben auch für die entsprechenden Aufreger gesorgt, denn: Mann, war das cool so. Voll verkabelt, immer was am Laufen… Leistung? Bah.

Was sollte das geben? Und jetzt? Baut unserer seinen Bachelor mit 1,0. Bah. Hut ab. Und drei Tage später auf dem Airport wie zuhause. Inmitten der Freundescrew den letzen Check und: ab. Abgehoben zum Praktikum in Südafrika… Nehmt das, ihr drei bis fünf Gymnasiallehrerfuzzies, gegen die ich damals bloß deswegen nicht mit Glossen geschossen hab, weil es dann echt persönlich gekommen wäre.

Was treibt die Kinder denn jetzt? Die Negativ-Vorhersage der Lehrer oder die Ermutigung der Alten? Die jüngste GfK-Konsumentenstudie (2012) zeigt, dass die jungen Erwachsenen jetzt vor allem genug haben vom Inszenierungsdruck. Genug davon, sich so gut wie möglich verkaufen zu müssen auf jedem Markt, den es so gibt. Es gebe einen Wunsch nach mehr Privatheit, mehr Nachhaltigkeit, mehr Authentizität im Leben. Die Studie sagt auch, dass jenes Angeödetsein von Verkaufe nun auch schon auf die Y-Eltern übergreife, den 50plussern.

Gekauft. Kommt sie jetzt, die längst angekündigte Generation Y und zeigt uns, was alles geht? Wo man überall spielen kann, und wie weit die Welt? Irgendwie verwirrend sind sie ja schon. Wenn Party, dann bis morgens um sechs. Wenn Lernen, dann ebenfalls volle Kanne, und wenn Arbeiten – dito. Von wegen Leistungsverweigerung. Dazu switchen sie zwischen den Welten, dass einem schwindlig wird.

Wie sie im Arbeitsalltag rangehen, steht in zwei neuen Büchern: Glück schlägt Geld von Kerstin Bund und Ohne Uns von Ursula Kosser. Die RTL-Frau Ursula Kosser schreibt aus Mutter- und Vorgesetztensicht über Ypsiloner. Und erlebt staunend wie bei Bewerbungsgesprächen als erstes danach gefragt wird, ob man auch ein Sabbatical machen kann oder ob es die Möglichkeit gibt, dass man weniger arbeitet, wenn man ein Kind bekommt. Bei Recherchen fand sie, dass die einfach kündigen, wenn sie keine Lust mehr auf eine blöde Arbeit haben. Hierarchien flößen ihnen offenbar keinen Respekt ein.

Zur selben Zeit trieb wohl auch Kerstin Bund, Wirtschaftsredakteurin bei der Zeit, das Thema um. Sie selber ist Ypsilon, Jahrgang 82. In ihrem gerade erschienenen Buch “Glück schlägt Geld” betont sie an einer Stelle „Anders als die 68er wollen wir das Establishment nicht stürzen, wir sind schlicht ohne eines aufgewachsen.“

Zwei ausgefuchste Medienfrauen, zwei mal guter Lesestoff. Bei Kosser hab ich viel gelacht – ist wohl die Muttererlebnisschiene -, Bunds Schreibe dagegen hat mich im wahrsten Sinn im Sturm erobert. Sie schreibt nämlich sehr temporeich. Was die beiden verbindet, ist der persönliche Antrieb, genau das genau jetzt mal loszuwerden. Und das sehr fundiert. Besonders schön sind die Szenen zum Thema Emanzipation/Gender. Ursula Kosser etwa schreibt, wie „Sabine“, frisch angestellt bei einem TV-Sender, von der Frauenbeauftragten des Hauses mütterlich in Empfang genommen wird mit Hinweis auf Frauentelefon, Beschwerdemanagement und anders mehr – und darauf nur entgeistert antwortet: „Ich brauche das nicht.“ Bisschen verblüfft beschreibt Kosser weiter, wie alles, das der Frauenbewegung hoch und heilig war, über den Haufen geworfen und irgendwie anders gewollt wird.

Anders. Genau das ist der Ansatzpunkt von Kerstin Bund. Aber der Reihe nach: In der Einleitung beschreibt sie erstmal die gängigen Vorurteile gegenüber ihrer Generation: leistungsscheu, verwöhnt, unpolitisch… Nichts davon wahr, betont sie. „Wir sind nicht faul. Wir wollen arbeiten. Nur anders. Im Einklang mit unseren Bedürfnissen. Wir lassen uns im Job nicht versklaven, doch wenn wir von einer Sache überzeugt sind (und der Kaffeeautomat nicht streikt), geben wir alles.“ Vielleicht gelingt es ihnen ja, wenn sie überhaupt an eine Arbeitsstelle kommen. Da hakt es da ja noch. Weil auf den alten Arbeitsplätzen nun mal noch die Alten sitzen. Aber Kerstin Bund jammert nicht, sie will Ermächtigungsstrategien bieten, Teil einer Ermunterungs- und Aufbruch-Kampagne sein. Deswegen kommt in ihrem Buch nicht vor, dass es eine Menge Ausnutzung, Warteschleifen oder Scheitern gerade am Anfang gibt. Etwas, wofür man verdammt viel Geduld braucht. Oder eben Flexibilität. Wenn sie Recht hat, haben einige Ypsiloner dann eben ne andre Idee. Vielleicht wird das kommende Jahrzehnt das der Start-ups sein. Im Gespräch sagte sie mir, sie habe erst gedacht, sie schriebe ein Generationenbuch, Motto: „Hey – Wir sind anders!!“ Am Ende aber habe sie gemerkt: „So anders sind wir nicht.“

Die was ändern, werden jedenfalls nicht die sein, die super-straight durchgestartet sind. Sondern die sich auch trauen, mal auf die Nase zu fallen. Und zu träumen. Kosser zitiert am Ende ihres Buchs einen kursierenden Ypsilon-Tweet: „Wo kämen wir denn hin, wenn alle immer sagen, wo kämen wir denn hin, und niemand
hingeht und nachsieht, wo wir denn hinkämen.“ und kommentiert: “Die Generation Y geht nachsehen. Notfalls auch – ohne uns.” Das können nur welche, die wirklich selber flexibel sind und das nicht nur von anderen erwarten. Solche wie unserer, der uns gezeigt hat, dass auch ohne Strom noch was geht. Dass man in Schottland drei Wochen verbringen kann, unplugged! Danach kam er vollkommen entspannt zurück – und hat offenbar ganz nebenbei für alle folgenden Reise-, Praktikums-, Whatever-Projekte gelernt, was für ein Glück es ist, zu leben. Und konkret jetzt? Ein Film-Projekt in Südafrika. Mach ich, Lern ich, simst er. Go!
 

9783832197407.jpg.20193Ursula Kosser: Ohne uns
Die Generation Y und ihre Absage an das Leistungsdenken
190 Seiten, 19,99 Euro

bund_72dpi_rgbKerstin Bund: Glück schlägt Geld
Generation Y: Was wir wirklich wollen
200 Seiten, 19,99

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