Fotografie
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Filets, Marterl, Zeitensprünge

 

Wie ist es eigentlich weitergegangen? „Time is a great teacher“, findet der schottische Künstler Andy Goldsworthy (gerade und zum ersten Mal in Deutschland zu sehen in den Opelvillen in Rüsselsheim) und er sagt noch was Schönes: „Wenn ich meine Arbeit beschreiben sollte, würde ich sagen… ich arbeite mit Zeit.“ Wir auch. Mit, gegen, durch? Die Zeit hatte mal ne wunderbare Serie, den Zeitsprung, im früheren Zeit-Magazin. Thema war genau dieses “Wie ist es weitergegangen?”

1993 war ein Zeitsprung von uns. Viele Fotos waren da noch schwarz-weiß. Noch. Damals hat Pat ein 10-Years-after Foto von einem Kreuz gemacht und der Zeit-Redakteur fand es faszinierend, dass hier eine Pendelbewegung sichtbar, und eine weitere, unsichtbare womöglich schon im Anschwung war: 1982 nämlich stand dieses Kreuz vor der Kulisse der Ölraffinerie Caltex nahe Flörsheim, und damit unmittelbarer Nähe eines heiß umworbenen Geländes, dem „Filetstück der hessischen Wirtschaft“. Der Vertrag mit der Ölraffinerie endete nämlich damals, die Böden wurden regeneriert und die Nähe zu A3 und Flughafen machte das Areal hochattraktiv.

1993 sah es dann so aus wie auf dem rechten Zeitsprungfoto (wir mussten aus dem 82er-Bild ein 83er machen, damit es besser passte, so viel zur journalistischen Wahrhaftigkeit). Der Redakteur war damals so begeistert, dass er ohne rückzufragen den Text noch ein bisschen aufpeppte und dazudichtete, wenn das Baugelände erschlossen würde, könnte jenes alte Kreuz fallen. Ein wütender Brief des Caltex-Vorstands direkt an Herausgeberin Marion Gräfin Dönhoff war die Folge. Das Kreuz steht nämlich nicht auf dem Filet, sondern davor – derartige Verdrehungen hätte man ja von jedem andern, aber nicht von der altehrwürdigen Zeit erwartet. Wer bekam den Ärger?

Auch wieder zwanzig Jahre her…Was uns jetzt interessiert: das Kreuz – von einer Bauernfamilie errichtet, aus Dankbarkeit wieder gesund geworden zu sein, die Bayern nennen sowas Marterl – steht und steht und steht. Die Bäume gewachsen, eine Straße im Nichts endend, Herr Jesus ein wenig ausgebliche. Mahnend und leidend wie je.

 

Im Hintergrund aber, wo die Schlote verschwunden sind, es so idyllisch aussieht. Da geht’s es wirklich gerade ab. Nach Jahrenden, wie eine alte Tante zu sagen pflegt, ist das Filetstück jetzt wirklich heiß. Und berührt wiederum vergangene Zeiten. Da steht noch ein altes Kapellchen, es gehört zum ehemaligen Kloster Mönchhof – aber das ist eine andere Geschichte. Demnächst.

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