Ausstellungen, Natur und Umwelt
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Ausstellung: Lebensräume – Flugrouten


 

Eva strickt, läuft, redet gegen den Lärmteppich über Offenbach – und sie liebt, Zeichen zu setzen – Eva Reiß, Chefin der Evangelischen Kirche in Offenbach. Am liebsten sind ihr bekennende Zeichen mit Witz und Aussage und, ja, sie liest dieses Blog. Und weil es bei ihr gezündet hat – Ausstellungen sind Kinder von Begegnungen – zeigt sich die Offenbacher Stadtkirche in diesem Sommer mit unserem Blick auf Rhein-Main. Es ist ja hier ein bisschen wie im Ruhrpott: im Ballungsraum, denken viele, gibt’s eh keine intakte Natur, keine Ruhe mehr. Stimmt nicht. Frankfurt ist eine kleine, eine ländliche Großstadt. Eine Finanzmetropole mit feinen Kräuter- und Blumengärten zu Füßen. Und auch Offenbach, gern abgezoffte, kleine, kreative Stadtschwester, träumt sommers wie winters gern am Main. Wir haben alles! Museen, Erdbeeren, Apfelwickler, Häfen, Kulturheidelbeeren, Konzerte und Spargel, Pharmariesen, Global Youth Village, Filmfestivals und Zecken. Multikulti in jedweder Hinsicht und mit jedweder Verkehrsanbindung zu Wasser zu Lande und – in der Luft. Schwäne überfliegen Wasserstraßen, Kraniche trompeten über uns hinweg. Am lautesten, stetigsten und zahlreichsten im Luftraum aber sind First-Class-, Fracht- und Ferienflieger.

Unsere Ausstellung hat deswegen gleich zwei Fenster zur Einsicht: Eines öffnet die Flügel für Naturschönheiten des Rhein-Main-Lands, gibt Ausblicke auf regionale Lebensräume – das zweite zeigt, wie wichtig den Bewohnern das Bewahren dieser Schätze ist, so wichtig, dass sie seit Jahrzehnten für Lebensqualität und Ruhe auf die Straße gehen.

Unser Plakat: made by Kück*

Die Bilderroute in der Kirche beginnt (in schwarz-weiß, um klarer zu sehen) mit einem der ältesten Bilder aus dem heiß umkämpften Wald, der später für die Startbahn-West fiel. Der Augenblick zurück fällt auf die Hüttenkirche, die 1980 errichtet wurde und hier die Offenbacher Stadtkirche als kleine Schwester aus jüngerer Vergangenheit grüßt. Es folgen Bilder des Protests – von vor zehn Jahren, von heute -, der sich nach wie vor gegen die Rodung von Stille und Lebenskraft richtet, und gegen permanenten Ausbau von Fluglärm.

Natürlich wissen die Rhein-Mainer, welche Vorteile ihnen der Ballungsraum bringt: Arbeit, Schule, Einkauf, Freizeitgestaltung – alles im Drehkreuz von Interesse, Nachfrage, Bedarf. Alles gut erreichbar. Bebauung, Verkehr und menschengemachter Lärm gehören also dazu, sind also zu ertragen. Damit das aber gelingt, fordern Menschen aus Groß-Gerau, Eppstein, Offenbach, muss die andere Waagschale mit einer Auszeit von alledem bestückt werden, muss den Ausgleich wahren und die Grenzen stecken.

Und jetzt zum zweiten Arm, Bein oder Auge der Region: der Stille. Vielfältig auch sie. Dieser Teil der Bilderserie zeugt von der Kraft der Ruhepole mitten im Finanzsturm.  Wir wissen wo es sie gibt. Und hier ein kleiner Dank an unsere Plakatmacher *Karin und Wolfgang, die sicheren Auges mit uns die Auswahl zum Meditativen hin gesiebt haben – Ausstellungen sind Kinder von Begegnungen. So also könnte es sein: Innehalten vorm gesponnenen Wagenrad, gebannt vom Glitzern – in den Harztropfen frisch geschlagener Bäume – dem Herzschlag der Zeit folgen. Zeit, die die junge Sonnenblume braucht, Blatt für Blatt ihr Innerstes freizulegen, ihr klares Gesicht zu zeigen. Jede Pore eine Blüte, ein Samenkorn der Zukunft.

Gar nicht so selten kreuzen sich die Wege von Mensch und Tier. Ein Glück, denn der Blick eines Hirschen macht unverwundbar für einen Tag. Wer seine Sinne frisch hält, begegnet solchen Lebensträumen überall in der „Metropolregion“, die sich von Offenbach, Frankfurt, Aschaffenburg und Darmstadt um die Bergstraße nach Wiesbaden bis über den Hochtaunuskreis hoch zur Fulda zieht. Feldfurche und Hochhaus liegen oft nur Schwanenschwingenschwünge auseinander.

Weil das witzig, netzig Gedankenwendige ein Prinzip der Weiterentwicklung ist, sorgen wir vor der Ausstellungseröffnung für eine fadenziehende Aktion, setzen mit einem Strick-In ein Zeichen gegen den Fluglärm. Bestrickt wird ein symbolischer Deckel, der zumindest an diesem Tag und an der Offenbacher Stadtkirche der Zahl der Flugbewegungen eine Grenze setzt. Und weil sich in der Stadt auch oft die Wege der Menschen kreuzen, konnten wir Terry Keegan einladen, den Straßenmusiker und Conga-Trommler, der auch hier im Blog schon Bilder getaktet hat…

Angenetzt? Zeigts uns: am dritten Juni um drei.

ausstellung lebensräume – flugrouten: 3.6. – 8.9.12
vernissage: 3.6. 16 uhr 30
stadtkirche offenbach, herrnstraße 44
mo – fr 12-18 uhr, sa 11-13 uhr

 

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