Monate: April 2012

Stay, Yahye stay! Lasst ihn endlich sein Leben starten

  Das Ausländergesetz ist nicht für die Menschen da, es regelt nur den Umgang mit ihnen durch die Behörde. Chef der Frankfurter Ausländerbehörde, 2003. Wir treffen den Ex-Kindersoldaten, Flüchtling, Rapper, wir treffen Yahye (spricht man Yachje) bei sich zuhause. Er checkt die Deutsch-Hausaufgaben in seinem knallrot gestrichenen WG-Zimmer unterm Dach. Betroffenheitsgetue und Winkelzüge von Anwälten sind nicht sein Ding. Flucht soll vorbei sein, die Zukunft beginnnen – er will ein Bleiberecht für dieses Land, dafür arbeitet er mit aller Kraft. Er blättert in seinem Heft. Alles erledigt? Der ebenfalls tiefrote Teppichboden schlägt eine trotzige Falte, der Junge mit den starken Oberarmen, dem runden Gesicht und der männlichen Stimme hat ihn selbst verlegt. Mit 13 ist er aus Somalia nach Polen geflohen. Allein. Letzten Sommer, mit 17, flieht er von dort nach Frankfurt – und wird kurze Zeit später aufgefordert, „freiwillig“ wieder auszureisen. „Fliegen oder Knast“, so schätzt er die Alternative ein. „Dann doch lieber sehen, was mir in Polen einfällt“, entscheidet er, packt und stellt um auf Überleben. Am nächsten Morgen um acht würde er …

Das Gedicht: Spring

  Leer räumen den Kokon, den Hort der Häutungen. Beziehen das Unbezog’ne, Neue den mehrfach, den leeren Raum entziehen dem andern, dem Noch-nicht entringen das Hier-ich! Alles kann sein vor der Niederkunft. Ein Finden, Schwingen und Austreiben. Aufziehn den Elternkreis. Aber das Band, die alte Feder der Unruh, Zug und Gegenzug Wellentalschmerz und Bergung bleibt als Furche des Zwischenstands. Wölbt die Lippen des Gucklochs die Weiße der Wände sprengt den Staub des Nichts und Wiedernichts. Bleibt zwiefach geheftet: Hasta la Vista! Vaterhands Muttermunds Baby. Spring, die Augen in die Ferne. Gib, der Zukunft Raum, dem Neuen Tür – wie immer es sei. Es gilt. Die Ansprünge erkennen und ertragen, die Spannung neu verdrahten: Ab jetzt. Den Vertrag mit dem Morgen schon gezeichnet, Deal. Die Kindheit wiegt, sie bleibt zurück.

Jetzt erst Recht! Erst recht jetzt?

  Von der Terminaldecke mit Blickrichtung der Abflugtafel hängt ein riesiges Plakat, Aufschrift: „Freitag schon auf Montag freuen!“ Nette Begrüßung, auch wenn’s nicht wirklich den Demonstranten gegen Ausbau und Fluglärm gilt. „Jetzt erst recht“, die heutige Parole der BI Flörsheim-Hochheim, in Form knallroter Pappen ausgegeben, ist eine passende Antwort. Inmitten des Schilderwaldes blitzen die Pappen überall hervor, verleihen der montäglichen Demostunde einen nachdrücklichen roten Faden. Auch sonst haben sich die BI-ler was einfallen lassen für: als Leitfiguren auf der Bühne und an der Spitze des Demozugs eine Troika stahlblonder Hochheimer „Stewardessen“ (im Funkenmariechen-Kostüm), ein Fluglärmlied nach der Musik des Lieds „Skandal um Rosi“, Refrain hier: Skandal in Rhein-Main – und während des obligatorischen Rundgangs durch den Terminal bedröhnt eingespielter Fluglärm die nach Ruhe schnappenden Fluggäste. Es ist die letzte Demo vor der Entscheidung des Leipziger Gerichts und für rund 2000 Leute scheint dies ein fester Termin im Wochenplan zu sein (Freitag schon auf Montag freuen). Bei allem Spaß: sicher würden die Topfdeckelschläger Eimertrommler und (verbotenen) Trillerpfeifer diesen Termin gern und sofort streichen – wenn, ja, …