Reportage
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Strick-Aktion: Anti-Lärmteppich für Offenbach

 
Ankommen und gelobt werden: Wie schön! Und so herrliche Wolle! „Och ja – meine Reste halt.“ „Drei Tage dran gehäkelt“, verrät die Frau mit dem kirschroten Schal neben mir, als sie eine kunterbunte Decke auspackt. In der Mitte des Offenbacher Marktplatzes treffen sich heute die ausdrucksstarken Nadeln der Region und stricken gegen Fluglärm. Am zentralen Nähtisch orientieren sich die Neuankömmlinge: wer hat hier den Hut auf? Wo soll ich anstricken? Der Lärmteppich oben verhindert, dass man verstehen kann, was die beiden Initiatorinnen der Aktion eben sagen, der Lärmteppich unten auf dem Marktpflaster wächst und mäandert über den Platz.

Aus Taschen und Körben quellen Maschenkombinationen verschiedenster Couleur. Und werden allesamt aneinander genäht. Bunt zu monochrom, neonorange und kraus zu traumhaft schönen Farben und Mustern. Eine Frau freut sich, seit Ewigkeiten zum ersten Mal wieder an die Nadel gekommen zu sein. Eine andere hat nen Schal dabei, und sagt kategorisch – „Ich kann nicht stricken.“ Ach was, so was verlernt man doch nicht? „Nein. Ich will nicht, hat mir noch nie Spaß gemacht, deswegen hab ich einfach diesen Schal hier mitgebracht, nähen Sie den ein?“ Klar. Wird erledigt. Überall Kinder, Frauen mit Strickzeug. Zwischendrin der ein oder andere Mann, der fotografiert, fingerhäkelt, oder gar zusammen näht, was der Liebsten und Banknachbarin so von der Nadel fällt…

Am Ende? Soll es ein Carpet of Noise sein, so ist die Aktion beim Guinnessbuch der Rekorde angemeldet. Übertroffen werden muss der “Handwoven Carpet” von 955 Quadratmetern – schaun mer mal. Eine der beiden Frauen, die hier den Hut auf haben, respektive die Scheibe mit dem schicken Überflug-Verboten-Schild im Haar (hier schon mal beschrieben), heißt Andrea Ehrig: „Hab mir gedacht, Lichterketten, so was gabs ja alles schon. Es sollte was mit Humor sein. Und auch ein bisschen die Medien anlocken…“ Klappt perfekt. Kinder und ein Kessel bunt gestricktes ergeben doch auch wirklich ein ungewohntes Protestbild gegen Fluglärm. Keine schreit. Dafür zeigen Plakate und eingestrickte Statements Flagge.

„Mehrere Hundert Offenbacherinnen also?“ Fragt der Mann vom HR-Fernsehen „Nicht nur aus Offenbach“, korrigiert Andrea Ehrig – „die kommen von überall aus der Umgebung: Odenwald, Frankfurt…“ Hm. Interessiert ihn das? Er notiert ihre Handy-Nummer, um später die genaue Quadratmeterzahl zu erfahren. Zwei bis drei Quadratmeter stammen übrigens von der Frankfurter Strickrausch-Truppe. Hat ja was entspanntes so ein offizielles Strickkränzchen, bei dem man sich gegenseitig nach dem Gerichtstermin in Leipzig fragen kann und wie das so ist auf den Montagsdemos – und dabei ohne es recht zu realisieren zur Strick-Guerilla wird. Am Ende sinds rund 450 Quadratmeter Maschenprotest.

Auf der Rückfahrt nach Frankfurt dann noch ein Hingucker. Noch eine Art Anti-Lärmteppich von Künstlern (jA-ART). Ach Offenbach… Ja zu Fra darf Einigkeit der Beschäftigten und Luftmeilensammler am Römer demonstrieren, JA-ART Besinnung ans Offenbacher Stadthaus hängen: „Es war , als hätt’ der Himmel / Die Erde still geküsst, / Dass sie im Blütenschimmer / von ihm nun träumen müsst…“ Das Transparent mit dem Mondnacht-Gedicht von Eichendorff sieht aus, als werde es gerade mittendurch gerissen. Drüber ein Flieger. Drunter in rot: „Fraport occupies the Sky“.

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