Gesellschaft
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Occupy drei: Hallo Frankfurt!

Samstag, 29.10., 13 Uhr

„Jetzt geraten sie unter Druck“, meint eine Journalistin im Camp. Viele warten jetzt auf Konkretes, Forderungen, etwas, das man kommentieren, worauf man reagieren, das man Experten vorlegen kann. „Sie müssten jetzt mal was fordern“, findet ein älterer Mann. In den Flyern stehe nichts. „Die Kritik der Programmlosigkeit kommt oft von Altlinken, die in den letzten 30 Jahren nichts bedeutendes mehr auf die Beine gestellt haben“, kontert in der heutigen Frankfurter Rundschau Kalle Lasn. Der kanadische Filmemacher gilt als Mitinitiator von occupy wallstreet und wird zum aktuellen Stand interviewt.

Im Camp ist es ruhig. eine Bühne wird aufgebaut für den Kulturteil nach der Demo, die gerade durch die Stadt zieht. Leute kommen vorbei, schauen sich die Wand mit den Aushängen an, die Feuertonne, die Küche. Strickgraffiti auf den Bänken: „Bildung statt Banken“ ist auf die eine gestickt, „Resistance is fertile“ auf die andere. Sie müssen jetzt was fordern“, insistiert der Endsechziger und pocht auf die Papierschachtel, unter seinem Arm.

Der Beginn einer langen, langwierigen Rede. Ob ich seine These abenteuerlich fände, occupy sei schon längst vom Verfassungsschutz unterwandert? „Sagen wir mal“, sagt er, „Sagen wir mal, es wären 200 Leute von Occupy hier – gehören Sie zu occupy?“ Habe ich Nein gesagt? „Also 200. Davon sind bestimmt 20 Prozent vom Verfassungsschutz. Was sagen Sie jetzt?“ Und dann geht’s richtig los: die Banken, Verbrecher und die Rechtsanwälte dito, die Richter erst recht. Bereichern sich alle auf des Steuerzahlers Kosten. Keiner von ihnen je zur Rechenschaft gezogen worden. Ich denke: Super, wenn Menschen so ins Nachdenken kommen. Wenn sie ins Camp kommen um nachzudenken und zu reden. Nur dumm, dass ich es bin, die er anquatscht. Ich nehme eines seiner Flugblätter zum Artikel 34, GG (Amtspflichtsverletzung). Quelle? Urheberschaft? sind ein Fake. Nach mir textet der scheinbar nette, scheinbar zornige Alte noch drei andere zu, die ebenso matt zuhören wie ich. Wäre es abenteuerlich, an den Verfassungsschutz zu denken?

„Noch sind sie nett zu euch“, Öffentlichkeit und Medien, hat Peter Grottian am zweiten Tag der EZB-Vorgartenbesetzung gewarnt – passt auf, „dass Sie euch nicht öffentlich durchwinken“ und euch dann auseinandernehmen. Kleiner Vorgeschmack: Das Frankfurter Ordnungsamt hat die Erlaubnis erteilt. Das Occupy-Frankfurt Camp darf fortgeführt werden, und morgens spottet der Radio-Moderator von HR1: der Deutsche demonstriert ja nur mit Erlaubnis. Nicht genug Forderungen also, nicht genug Action, zu viel Zeitgeist und „Was machen die da eigentlich den ganzen Tag?“ Fun? Während Banker arbeiten?

Samstag, 29.10., 14 Uhr

3000 bis 4000 Leute – die wieder dem Aufruf gefolgt sind, und nach einer Runde durch die Innenstadt wieder im Bankenviertel angekommen sind – sehen das offenbar anders. Sie haben selbstbemalte Transparente und Pappen dabei, erheben sich auf Stelzen, wollen in Turnschuhen oder High Heels „Fiskalunion“ und durchgeknalltem Kapitalismus stoppen. Ein Skateboard wird zum Klatschinstrument – und vor der Commerzbank, der Aufgang zur Tribüne umgewandelt, sammeln sich alle und skandieren, rappen, rufen: „Banken in die Schranken““ Dazu Musik von dem wüstentauglichen Offroader, dem Demowagen, gespendet von Silke.

Samstag, 29.10., 15 Uhr

Aber nochmal: Forderungen. Als Angela Merkel in Frankfurt war, verblüfften Occupy-Demonstranten sie mit den Rufen „Kommunikation! Kommunikation!“ Und jetzt, am Ende der Demo redet Danielle aus Frankreich Klartext im Namen der Studierenden ohne Bleibe in Frankfurt. Und für alle Ordnungshüter zum Mitschreiben: „Kommt zum Studierendenhaus. 8.11., 16 Uhr. Lasst uns den Leerstand in Frankfurt besichtigen. Geld für Banken, aber keins für Unis?!“ Dann hält Benni, rothaarig und unerschrocken das Schlusswort: „HALLO FRANKFURT!“ Und klingt wie Robin Williams in „Good Morning Vietnam!“ „Ich weiß nicht, warum ihr hier seid, ich bin hier, weil ich was ändern will. Wenn wir gewisse Dinge nicht jetzt kapieren, kapieren wir’s nie. Lasst uns friedlich bleiben.. lasst uns das System umweltfreundlicher, nachhaltiger und menschlicher machen“ Und schließlich forderte Benni: „Denkt selbst! Wenn andere für euch denken, kommt nur Scheiße dabei raus.“ Einfache Worte für schwierige Dinge. Kommunizieren und selber Denken. Fangt einfach mal an.

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